Chefankläger Khan betont, dass es keine Verjährungsfrist für Kriegsverbrechen gebe. Russland wertet Haftbefehl als "eindeutige Feindseligkeit“ - und plant seinerseits ein Strafverfahren gegen Richter des Internationalen Strafgerichtshofs.
Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin bleibt nach Angaben von Chefankläger Karim Khan auch nach einem Ende des russischen Kriegs gegen die Ukraine gültig. "Es gibt keine Verjährungsfrist für Kriegsverbrechen", sagte Khan am Montag dem Sender BBC Radio 4. Unterdessen eröffnete die russische Justiz ihrerseits ein Strafverfahren gegen die Richter des IStGH.
"Einzelpersonen - wo immer sie sich auf der Welt befinden - müssen erkennen, dass es das Gesetz gibt und dass mit Autorität Verantwortung einhergeht", sagte Khan. Dass es keine Verjährungsfrist für Kriegsverbrechen gibt, sei einer der Grundsätze des Kriegsverbrechertribunals von Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg, so Khan. Die Haftbefehle würden Putin und die russische Beauftragte für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa, für den Rest ihres Lebens anhängen, betonte der Brite. "Es sei denn, sie stellen sich den unabhängigen Richtern des Gerichts, und die Richter entscheiden in der Sache, einen Fall abzuweisen - aber ansonsten: absolut, ja", sagte er auf eine entsprechende Frage.
Russland schlägt zurück: Strafverfahren gegen IStGH-Richter
Die russische Justiz leitete nun ihrerseits am Montag ein Strafverfahren gegen die Richter des Internationalen Strafgerichtshofs ein. Der Vorwurf laute auf vorsätzlich illegale Inhaftierung und Vorbereitung eines Angriffs auf einen gegen Strafverfolgung geschützten Vertreter eines ausländischen Staats, hieß es in einer Mitteilung des nationalen Ermittlungskomitees. Die Ermittlungen richten sich auch gegen Chefankläger Khan.
Russland wertet den Haftbefehl gegen Putin als "eindeutige Feindseligkeit". Diese richte sich gegen Russland und gegen Putin persönlich, sagt der Sprecher des Präsidialamtes in Moskau, Dmitri Peskow am Montag. Russland reagiere aber "gelassen" darauf und setze seine Arbeit fort. Dagegen drohte Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew damit, den Internationalen Strafgerichtshof in den Niederlanden mit Hyperschallraketen zu beschießen.
China mahnt zu „fairer Position"
China rief den Internationalen Strafgerichtshof zu einem umsichtigen Vorgehen auf. Der Strafgerichtshof in Den Haag solle "eine objektive und faire Position einnehmen" und die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern respektieren, sagte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums. Der Strafgerichtshof müsse seine Befugnisse "umsichtig und im Einklang mit dem Gesetz ausüben". Politisierung und Doppelstandards müssten vermieden werden. China gilt als enger Verbündeter Russlands.
Der Internationale Strafgerichtshof hatte am Freitag auf Antrag Khans wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen Putin und Lwowa-Belowa erlassen. Sie seien mutmaßlich verantwortlich für die Deportation ukrainischer Kinder aus besetzten Gebieten nach Russland. Die Haftbefehle haben vor allem eine symbolische Bedeutung, ein Prozess scheint derzeit ausgeschlossen.
Der britische Jurist Geoffey Nice, Chefankläger des früheren serbischen Staatschefs Slobodan Milosevic in Den Haag, sagte, mit dem Haftbefehl sei Putin als gesuchter Verbrecher abgestempelt. "Das Etikett wird sein Leben lang haften bleiben, es sei denn, er wird vor Gericht gestellt und freigesprochen oder, fast unvorstellbar, der Internationale Strafgerichtshof zieht den Haftbefehl zurück", sagte Nice dem Sender Sky News. Der Haftbefehl sei ein "sehr, sehr wichtiger und sehr willkommener Schritt".
(APA/dpa/Reuters)