Betrugsprozess

Prozesstag zwei: Sophie Karmasin und die Scheinangebote

Sophie Karmasin auf der Anklagebank.
Sophie Karmasin auf der Anklagebank.APA/GEORG HOCHMUTH
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Am zweiten Verhandlungstag widersprachen Zeugen der Darstellung von Sophie Karmasin, wonach die Ausschreibung für das Erstellen von Studien bloß eine Farce gewesen sei.

Alles war vorbereitet. Es hätte der erste öffentliche Auftritt der Kronzeugin Sabine Beinschab werden sollen. Die Meinungsforscherin hätte gegen ihre frühere Vertraute, die nun angeklagte Ex-Familienministerin Sophie Karmasin, aussagen sollen. Hätte. Sollte. Letztlich wurde nichts daraus.

Beinschab war zwar, behütet von ihrer Anwältin Katrin Blecha-Ehrbar, im Straflandesgericht Wien erschienen, hatte sich durch einen Pulk aus Kameraleuten und Fotografen ihren Weg in das Wartezimmer für Zeugen gebahnt, hatte dort einige Zeit auf ihre große Stunde gewartet, wurde dann aber von Richter Patrick Aulebauer wieder weggeschickt.

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Der Grund: Die vorherigen Zeugeneinvernahmen zogen sich derart in die Länge, dass es der Richter seinen Schöffen (den Laienrichtern) nicht zumuten wollte, „bis Mitternacht hier sitzen zu müssen“. Denn dass Beinschab, jene Meinungsforscherin, die seinerzeit mit frisierten Umfragen dem damaligen ÖVP-Herausforderer und nachmaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz Schützenhilfe geleistet hatte, nur ganz kurz befragt wird – daran glaubte an diesem zweiten Verhandlungstag niemand.

Zwar ging es nun weder um die Inseraten-Affäre, noch um das sogenannte „Beinschab-Tool“ (Umfragen im Auftrag des Finanzministeriums, von denen Kurz profitieren sollte) – doch es war zu erwarten, dass die Kronzeugin auch zum eigentlichen Prozessthema viel sagen würde. Schließlich basiert die Anklageschrift gegen die 56-jährige Ex-Ministerin auf ihren, Beinschabs, Angaben.

Zur Erinnerung: Karmasin muss schweren Betrug und wettbewerbebeschränkende Absprachen verantworten. Ersteres, weil sie sich nach ihrer Zeit als (von der ÖVP nominierte) Familienministerin (2013 bis 2017) noch monatelang 75 Prozent ihrer Ministerinnengehalts überweisen ließ, obwohl sie bereits andere Einnahmequellen erschlossen hatte. 79.000 Euro seien unrechtmäßig ausbezahlt worden, sagt die Korruptionsstaatsanwaltschaft, die WKStA. Karmasin kontert: Sie habe das Geld zurückbezahlt. Sogar mehr als die aushaftende Summe. Daher sei ihr tätige Reue zuzubilligen. Sie habe zwar einen „Fehler“ gemacht, aber rein rechtlich habe sie sich nichts vorzuwerfen.

Alles vorher abgesprochen

Anschuldigung zwei beschäftigte nun diverse Zeugen. Karmasin, vor ihrem Politik-Einstieg als Meinungsforscherin tätig, hatte nach ihrer Karriere als Ministerin den Auftrag, drei Studien für das Sportministerium auszuarbeiten, an Land gezogen. Allerdings hatte sie – das gesteht sie auch zu – zwei anderen Meinungsforscherinnen dazu gebracht, Vergleichsangebote zu legen. Dies allerdings nur zum Schein.

Die beiden Frauen, die mitspielten: Sabine Beinschab und die Marktforscherin G.-M. Letztere gab nun als Zeugin zu: „Ich habe ein Angebot gemacht, Beinschab hat dieses vorab abgesprochen und mir gesagt, wie mein Angebot aussehen sollte. Sowohl der Inhalt als auch der Preis waren vorher besprochen. Ich wusste, dass Beinschab selbst auch ein Angebot gelegt hat. Wir haben Scheinangebote gelegt.“ Bei zwei Studien habe sie mitgespielt. Bei der dritten Studie nicht mehr.

Der Richter: „Was haben Sie davon gehabt, dass sie Scheinangebote legen?“ – Antwort: Sie habe kleinere Subaufträge erhalten. Aber das sei gar nicht im Vordergrund gestanden. Sie habe Karmasin einfach „einen Gefallen getan“. Denn: „Zwar kannte ich Sophie Karmasin gar nicht persönlich. Aber ich hatte das Gefühl, ich bin wieder in einem Team.“ Das sei ihr wichtig gewesen, weil sie zuvor berufliche Umwälzungen habe vornehmen müssen.

Diversion statt Strafe

Übrigens: Marktforscherin G.-M. musste sich für ihren Beitrag auch einem Ermittlungsverfahren stellen. Sie stand ebenfalls im Verdacht der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen. Da sie dafür umfassend Verantwortung übernahm, blieb ihr eine Anklage erspart. Sie kam mit Billigung der WKStA mit einer Diversion davon. Zum Ausgleich, so erklärte nun WKStA-Vertreter Gregor Adamovic, musste G.-M. „gemeinnützige Arbeit leisten“.

Karmasin verteidigt sich nun eben so: Sie habe sich vom Auftraggeber der Studien („Motivanalyse Bewegung und Sport“ oder etwa „Frauen im Vereinssport“), also vom Sportministerium, „einspannen lassen“. Und: „Ich hätte diese Bitte (nach der Einholung von Scheinangeboten, Anm.) ablehnen sollen.“ Dies sei aber alles gar nicht relevant, weil die Auftragssummen der einzelnen Studien unter der Grenze der Ausschreibungspflicht, unter 100.000 Euro, lagen. Die Scheinangebote hätten nur der internen Dokumentation des Ministeriums gedient.

Es sei sowieso klar gewesen, dass sie, Karmasin, den Auftrag per Direktvergabe bekomme. Ein auf Vergaberecht spezialisierter Beamter des Sportministeriums widersprach nun im Zeugenstand: Das Design und die Auswertung der ersten Karmasin-Studie sei inhaltlich auf Zustimmung gestoßen. Eine direkte Zusage habe es aber nicht gleich gegeben. Und er legte nach: „definitiv nicht“. Denn: „Wir haben keine Freigabe gehabt.“
Es seien zwei weitere Vergleichsangebote verlangt worden, um den Leistungs- und Kostenumfang beurteilen zu können: „Man wollte es von oben.“ Damit zementierte er seinen Widerspruch ein. Auch Karmasins Verteidigern, Norbert Wess und Philipp Wolm, gelang es nicht, den Zeugen ins Wanken zu bringen.

Der mit den Studien befasste Sektionschef im Sportministerium, T., widersprach ebenfalls. „Ich habe ihr nichts versprochen“, betonte der Beamte. Zwar habe er sehr wohl mit Karmasin Kontakt gehabt, mit ihr zuweilen gechattet und auch telefoniert und: „Es hat sich im Laufe der Zeit ein durchaus freundschaftliches liches Arbeitsverhältnis entwickelt.“ Eiliger Nachsatz: „ein korrektes“. Aber es habe klare Regelungen gegeben. Wenn Projekte mit einem Wert von mehrt als 5000 Euro vergeben werden, brauche es Vergleichsangebote. Da sei das Sportministerium strenger als andere.

Prozessplan musste geändert werden

An dieser Stelle verlas der Richter – die zweite Studie betreffend – eine Nachricht, die Karmasin an Sektionschef T. geschrieben hatte. Darin schilderte sie, dass die Auftragslage gerade nicht so rosig sei.
T. meinte darauf: „Da finden wir eine Lösung.“ Und: „Wir werden ein Projekt erarbeiten.“ Sie antwortete: „Danke, Du bist spitze.“ Der Zeuge meinte nun, dass er dieser Kommunikation nichts hinzuzufügen habe. Sicher sei: Er habe Karmasin „nichts versprochen“.

Damit geriet Karmasins Verantwortung ins Wanken. Der Sektionschef blieb bei seiner Aussage: „Ihr ist nie mitgeteilt worden, dass sie den Auftrag bekommen wird.“

Wegen der eingangs geschilderten zeitlichen Verzögerung ist mittlerweile auch der Prozessplan ins Wanken geraten. Außer dem „Beinschab-Tag“ wurde noch ein weiterer Termin eingeschoben. Somit soll das Urteil statt, wie vorgesehen, am 9. nun erst am 23. Mai verkündet werden.

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