Vier im Jeep auf der Flucht aus Beirut

Schild der Passkontrolle auf einem Flughafen
Schild der Passkontrolle auf einem Flughafen(c) BilderBox (BilderBox.com)
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Hilfe bei Notfällen. Von gestohlenen Pässen bis zur Hilfe bei politischen Unruhen: 476.000 Mal gerieten Österreicher im Jahr 2013 während eines Auslandsaufenthaltes in Schwierigkeiten.

Am 8. Mai 2008 um Mitternacht wollten Robert Klump und Nina Jamal ihre Rückreise aus dem Libanon antreten. Doch als der heute 43-jährige Wiener mit steirischen Wurzeln am Vormittag in Beirut das Fernsehgerät aufdrehte, war klar, dass es mit der Ausreise vermutlich doch nicht klappen würde. „Man sah Lkw, die Geröll auf die Zufahrtstraße zum Flughafen kippten und eine Blockade errichteten“, erinnert sich Klump an diesen Tag vor vier Jahren.

Was folgte, waren wochenlange schwere Unruhen in Beirut und anderen libanesischen Städten, bei denen mehr als 80 Menschen bei den Kämpfen zwischen schiitischen Anhängern der Hisbollah und Sunniten getötet wurden. Die Wahl eines neuen Staatspräsidenten, die für Anfang Juni 2008 angesetzt war, wurde abgesagt.

Mit seiner libanesischen Verlobten Nina Jamal hatte der studierte Jurist damals die Verwandtschaft in Beirut besucht. Reisewarnungen, die für den Libanon bestanden hätten, habe er in den Wind geschlagen, weil die beiden ja bei der Familie untergebracht waren. „Schnell war klar, dass es unseren Heimflug nicht geben wird“, erzählt Klump. Um acht Uhr morgens meldete er sich bei der österreichischen Botschaft, was denn nun zu tun sei, „dann ging alles sehr schnell“. Innerhalb einer Stunde sollten sie mit ihren Koffern in der Botschaft sein.

„Wir wurden im Jeep nach Damaskus eskortiert.“ Gemeinsam mit einem österreichischen Beamten, der sich ebenfalls in Beirut aufhielt, reisten die beiden über die Grenze nach Syrien. „Normalerweise braucht man für die direkte Strecke drei Stunden, wir mussten aber eine Ausweichroute Richtung Norden nehmen“, sagt Jamal. Sie war die Einzige im Jeep, die Arabisch konnte und an der Grenze übersetze, als die syrischen Grenzposten den israelischen Stempel im Pass des Beamten beanstandeten. Und dann in rasender Geschwindigkeit nach Damaskus. „Ich bin mir vorgekommen wie in einem James-Bond-Film“, sagt Klump. „Am Flughafen in Damaskus war der Botschafter da. Das Flugzeug wartete auf uns.“ Das Sackerl mit Tabak, das ihm ein Freund zugesteckt hatte und das am Gate kurz für Drogenalarm sorgte, kostet ihn heute nur ein Lachen – „damals bin ich ausgeflippt“. Für die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland sind Fälle wie jener von Robert Klump und Nina Jamal bei Weitem keine Einzelfälle: 476.000 Mal haben sie im Jahr 2013 Österreichern Unterstützung geboten, die auf Reisen in Notfälle gerieten. Kommt ein Anruf eines Hilfe suchenden Österreichers herein, beginnt an den Konsulaten die Arbeit: Kleine Teams kümmern sich darum, auch knifflige Angelegenheiten zu lösen. Die Zahl der Konsularfälle ist seit Jahren im Steigen: Während 2011 „nur“ etwa 300.000 Österreichern in prekärer Lage geholfen wurde, waren es 2012 rund 420.000 Menschen.

Pass per Fax auf den Flughafen

Auch Birgit Eyrich und ihrem damaligen Lebensgefährten Martin ist während eines Hawaii-Urlaubs etwas Unangenehmes passiert: Als sie auf der Insel Oahu einen Nachmittag am Strand verbrachten, ließen sie die Kamera, unentwickelte Filmrollen, den Reisepass und das Flugticket – vermeintlich gut versteckt – im Auto. Erst als sie abends zurück ins Quartier kamen, bemerkten sie, dass die Sachen fehlten. „Mein Freund hat dann telefonisch die Ausstellung eines Notpasses beantragt. Der wurde ihm sogar auf den Flughafen gefaxt, weil die Zeit so knapp war“, sagte Eyrich.

Gestohlene oder verlorene Pässe machen das Gros der Fälle aus: 23.500 Pässe stellten die österreichischen Konsulate weltweit aus, 750 Österreicher brauchten Hilfe in Rechtsschutzfällen und 450 bei Erkrankung und Unfall. Passieren Naturkatastrophen – wie etwa der Tsunami, der im Dezember 2004 über weite Teile Südostasiens hinwegschwappte – geht es darum, die im Land befindlichen Österreicher so rasch wie möglich in die Heimat auszufliegen. Für alle Wünsche sind die Konsulate aber nicht zu haben: Als Reisebüro, Arbeitsvermittlung, Postamt oder als Kreditinstitut will man sich nicht verstanden wissen.

„Ich habe durch diesen Notfall zu schätzen gelernt, österreichischer Staatsbürger zu sein“, meint Robert Klump rückblickend. Trotz österreichischen Passes: Noch einmal will er solch einen Notfall nicht durchstehen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

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