TV-Notiz

Sebastian Kurz' Spiel auf der Corona-Ziehharmonika

Kanzler Sebastian Kurz bei Moderatorin Simone Stribl im ORF-"Sommergespräch"
Kanzler Sebastian Kurz bei Moderatorin Simone Stribl im ORF-"Sommergespräch" APA/ROLAND SCHLAGER
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Eine Impfpflicht soll es nicht geben, die Bürger aber ihre "sozialen Kontakte reduzieren", sagt der Kanzler im ORF-"Sommergespräch". Weitere Verschärfungen könnten am Mittwoch verkündet werden.

Der Sommer ist vorüber, der Kanzler wieder im Fernsehen zu sehen. Erst am Freitag hatte sich Sebastian Kurz (ÖVP) an die Bevölkerung gewandt und mit Blick auf den Arbeitsmarkt, den nahenden Schulbeginn und die alljährliche Grippewelle einen „schwierigen Herbst“ angekündigt. Freilich, es gebe „Licht am Ende des Tunnels“, betonte er, der Sommer 2021 solle wieder ein „normaler“ werden. Das Spiel auf der Ziehharmonika – ein Nachschärfen und Lockern der Coronamaßnahmen, je nach Dringlichkeit – werde so bald aber nicht enden. Am Montagabend setzte Kurz seine Prognosen bei Moderatorin Simone Stribl fort und damit gleichsam den Schlusspunkt der diesjährigen ORF-„Sommergespräche“.

Um die „Bewährungsprobe“ alias kalte Jahreszeit zu be- und damit überstehen, müsse jeder Einzelne Verantwortung übernehmen, betonte der Kanzler. Konkret: „Wir müssen soziale Kontakte reduzieren", Abstand halten, Mund und Nase mit Masken bedecken. Und möglicherweise noch mehr. Denn: Am Mittwoch werde Türkis-Grün die Lage im Land – „wir haben steigende Infektionszahlen“ – neuerlich bewerten und womöglich „die Maßnahmen nachschärfen“, meinte der Regierungschef.

Ob das bedeute, dass die mit heute, Dienstag, in Kraft tretenden Regelungen bei Veranstaltungen (10.000 erlaubte Zuschauer outdoor, 5000 indoor) wieder zurückgenommen werden, wollte Kurz nicht sagen. Er sei diesbezüglich aber durchaus „skeptisch“. Auch eine Garantie dafür, dass es zu keinen neuerlichen Schulschließungen kommen werde, wollte er nicht abgeben: „Wir wollen aber verhindern, dass es zu flächendeckenden Schulschließungen kommt.“

Sicher war sich der 34-Jährige sodann in einem anderen Punkt: „Die Pandemie wird erst vorbei sein, wenn es wirksame Medikamente oder eine Impfung gibt.“ Sobald diese verfügbar seien, werde man alles dafür tun, ausreichend davon für die Bevölkerung zu beschaffen. Eine generelle Impfpflicht soll es nicht geben, sinnvoll wäre es aber wohl, Gesundheitspersonal, Ältere und Personen, „die viel reisen“ zu impfen. Und nicht nur sie: „Ja, ich werde mich impfen lassen, da ich großes Vertrauen in die österreichischen Behörden habe“, sagte Kurz. Diese würden etwaige Medikamente gegen das Coronavirus nur nach ausführlicher Prüfung zulassen.

Näher bei Merkel als Kogler

Stichwort Entscheidungen. Ob er je – insbesondere im März – bewusst mit der Angst der Menschen gespielt habe? Natürlich nicht, betonte Kurz. Ob er nicht früher auf die Bedenken von Juristen, etwa in Sachen Ausgangsbeschränkungen, reagieren und diese nicht bloß als „juristische Spitzfindigkeiten“ abtun hätte sollen? Immerhin seien eben diese Verordnungen letztlich vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden. „Die Formulierung war sicherlich nicht ideal“, räumte der Kanzler ein, aber: „Wir waren damals alle in einer Stresssituation.“ Überdies seien Uneinigkeiten unter Juristen nichts Außergewöhnliches. Das Gesundheitsministerium habe sich jedenfalls „stets redlich bemüht“. 

Redlich bemühte sich auch Moderatorin Stribl (kurzzeitig vom ungeplanten Gastauftritt einer Gelse auf Kurz' Arm irritiert), gegen Ende der 50 Sendeminuten noch einige Entweder-Oder-Fragen einzubauen. AUA oder ÖBB?, lautete eine davon. Kurz meinte, er sei als Außenminister vermutlich öfter mit dem Flieger denn mit der Bahn unterwegs gewesen sei. Beides seien aber tolle Unternehmen. 

Angela Merkel oder Werner Kogler? Der Kanzler entschied sich für seine deutsche Amtskollegin – ebenso wie sein grüner Vizekanzler wenige Wochen zuvor. So hatte auch Kogler im ORF mehr Gemeinsamkeiten mit der CDU-Politikerin als mit seinem Koalitionspartner geortet. Die Zusammenarbeit mit Kogler sei dennoch eine „sehr gute“, meinte Kurz. Oft denke man aber eben – beispielsweise in der Frage, wie mit Asylwerbern in Lehre umgegangen werden sollte – „unterschiedlich“. Und daran, wagte Kurz eine finale Prognose, werde sich so bald nichts ändern.

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