Im sozialen Wohnbau leben zwei Drittel der Wiener. Dort fällt erstmals das rot-blaue Duell um die SPÖ-Hochburgen aus.
Gabriele Kopetzky steht vor der Eingangstür des weißen Wohnhauses. Mit einer Handbewegung öffnet sich die Tür automatisch. „Es ist schon modern hier“, meint sie. „Und in diesem Gemeindebau gibt es keinen Unterschied zu Genossenschaftswohnungen.“
Die Wienerin wohnt in dem ersten Gemeindebau, den die Stadt Wien nach Jahrzehnten errichtet hat. Das Gebäude in der Fontanastraße 3 in Favoriten ist hell und freundlich, in der Eingangshalle befindet sich ein riesiges Kunstwerk. Nichts weist darauf hin, dass es sich um einen Gemeindebau handelt – außer höchstens der Name, der an die verstorbene SPÖ-Nationalratspräsidentin Barbara Prammer erinnert.
Kopetzky kennt den sozialen Wohnbau. Aufgewachsen in einem Gemeindebau, zog die Angestellte später wieder in einen Gemeindebau. Als die Kinder aus dem Haus waren, benötigte sie nur noch eine kleinere Wohnung – die hat sie im Barbara-Prammer-Hof gefunden. Was sie begeistert? „Es gibt hier auch einen Hausbetreuer, an den man sich mit seinen Problemen wenden kann.“ Später erzählt sie: „Mein Sohn ist nach Amsterdam gezogen.“ Dort könnten junge Leute nur in Wohngemeinschaften leben. „Wohnen ist sonst unleistbar.“ Kopetzkys Sohn bezahlt 1800 Euro für 70 Quadratmeter. „In Wien ist das zum Glück nicht so“, meint sie.
Wohnen ist in jedem Wiener Wahlkampf ein Thema. Nicht nur wegen des ständigen rot-blauen Kampfes um die Hoheit im Gemeindebau (das fällt Ibiza-bedingt heuer aber aus). Sondern auch wegen der vehementen Forderung von ÖVP und Neos nach einem Gehalt-Check im Gemeindebau. Wer später mehr verdient, soll dann eine höhere Miete zahlen. Die SPÖ hält dagegen, dass damit die soziale Durchmischung beendet würde.
Faktum ist, dass rund zwei Drittel der Wiener im geförderten Wohnbau leben. Das drückt die Mieten auch auf dem privaten Sektor – weil die Stadt mit rund 220.000 Gemeindewohnungen der größte Wohnungsbesitzer Europas ist.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Wie „Die Presse“ berichtete, saniert die Stadt laut Rechnungshof zu wenig. Experten sehen einen Investitionsbedarf von fünf Milliarden Euro bei den Gemeindebauten. Aber auch private Bauten werden zu wenig saniert. Dazu berichten Mieter immer wieder von Problemen mit Wiener Wohnen, z. B. bei der Betriebskostenabrechnung oder der raschen Erledigung von Anliegen. Wobei Kopetzky selbst noch keine negativen Erfahrungen gemacht hat – außer mit den üblichen Nachbarschaftskonflikten wie nächtlichem Lärm: „Ich fühle mich wohl hier.“