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Neustart beim Verfassungsschutz

Ungewohnte Harmonie zwischen den Koalitionsparteien: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) präsentierten am Montag Details zur Reform des Verfassungsschutzes.
Ungewohnte Harmonie zwischen den Koalitionsparteien: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) präsentierten am Montag Details zur Reform des Verfassungsschutzes.(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Das BVT wird völlig neu aufgestellt und heißt künftig „Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst“.

Wien. Die türkis-grüne Koalition zeigt doch noch Zeichen von Einigkeit. Mitten in der bisher schwersten Koalitionskrise traten am Montag Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und die grüne Klubchefin Sigrid Maurer vor die Öffentlichkeit, um eine Neuordnung des Verfassungsschutzes zu verkünden. Der Verfassungsschutz sei die „Schutzmauer der Republik“, so Nehammer. Und die habe Risse gezeigt. Jetzt gehe es darum, die Mauer völlig neu aufzustellen.

Die BVT-Krise

Was Nehammer mit „Rissen in der Mauer“ umschreibt, ist eine handfeste Krise des Nachrichtendienstes: Seit der Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vor drei Jahren sind die heimischen Verfassungsschützer international isoliert. Partnerdienste im Ausland sind zurückhaltend, was die Weitergabe von Informationen betrifft, zumal zuletzt auch die Wirecard-Affäre gezeigt hat, dass Informationen nach außen abgeflossen sind. Das BVT lieferte das Bild einer unprofessionellen, von Intrigen und politischen Einflussnahmen gekennzeichneten Behörde, die ihren Aufgaben nur unzureichend nachgehen kann.

Offenkundig wurde das Versagen beim Terroranschlag in Wien, als der Attentäter, ein verurteilter Islamist, sich ungehindert mit anderen Extremisten verbünden und Munition einkaufen konnte, ohne dass es eine adäquate Reaktion gegeben hätte. Eine vom Innenministerium eingesetzte Untersuchungskommission zeichnete dann auch ein verheerendes Bild über das Wirken der Verfassungsschützer.

Die Neuorganisation

Kernpunkt der Reform ist eine Trennung, wie sie auch in vielen anderen Ländern üblich ist: Nachrichtendienst und Staatspolizei sind künftig eigene Organisationseinheiten unter dem Dach der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). Dort gibt es einen Direktor sowie zwei Stellvertreter, die jeweils für ihre Einheit zuständig sind.
Der Grund für die Trennung: Nachrichtendienst und Polizeiarbeit befinden sich in einem Spannungsverhältnis. Zur Gefahrenabwehr ist es oft sinnvoll, eingehender Informationen zu sammeln, ehe man mit polizeilichen Maßnahmen einschreitet, was aber in der derzeitigen Struktur nicht möglich ist: Die Polizei muss aktiv werden, sobald sie von einem strafbaren Delikt erfährt.

Neue Regeln

Jahrelang galt der Verfassungsschutz als ÖVP-Domäne. Es lag wohl im Interesse der Grünen, eine Entpolitisierung festzuschreiben. Die Maßnahmen dazu: Für Führungskräfte gibt es ein Verbot, politische Ämter auszuüben, sowie eine „Cool-Down-Phase“ für den Fall, dass sie vorher politisch aktiv waren. Bei der Besetzung der Führungskräfte gibt es wie bisher eine Kommission. Neu ist, dass dort auch ein vom Beamtenminister (Werner Kogler, Grüne) nominiertes Mitglied vertreten sein wird.

Geplant ist auch eine unabhängige und weisungsfreie Kontrollkommission nach Vorbild des Menschenrechtsbeirats, die Zugang zu allen Akten erhält und bei der sich auch Whistleblower anonym melden können. Diese Kommission soll vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit, also auch mit Oppositionsstimmen, für eine Dauer von zehn Jahren bestellt werden – ohne der Möglichkeit einer Wiederbestellung.

Das Prozedere

Für die Neuregelung ist eine Gesetzesänderung notwendig. Die könnte laut Innenminister Nehammer bis zum Sommer über die Bühne gehen. Auch die Opposition will man da intensiv einbinden. Zumindest für die Kontrollkommission ist das auch notwendig, denn dafür ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. In einer ersten Reaktion zeigten sich alle Oppositionsparteien skeptisch. Die FPÖ sprach von einer Alibi-Einbindung, die Neos kritisierten den „künstlich aufgebauten Zeitdruck“, die SPÖ vermisst parlamentarische Kontrolle.

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