Verfassungsschutz

Aus BVT wird DSN: Nationalrat beschließt Reform

Innenminister Karl Nehammer (am Foto mit Finanzminister Blümel im Nationalrat) spricht von einer "neuen Mauer der Republik", die das BVT als "rissige Schutzmauer" ablöst.
Innenminister Karl Nehammer (am Foto mit Finanzminister Blümel im Nationalrat) spricht von einer "neuen Mauer der Republik", die das BVT als "rissige Schutzmauer" ablöst. APA/ROBERT JAEGER
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Mit breiter Mehrheit - und demonstrativer Harmonie - hat der Nationalrat die Neuaufstellung des Verfassungsschutzes beschlossen. Die Bereiche Staatsschutz und Nachrichtendienst werden damit voneinander getrennt.

Mit breiter Mehrheit hat der Nationalrat am Donnerstag die Reform des krisengeschüttelten österreichischen Verfassungsschutzes beschlossen. Aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wird die DSN, die "Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst" mit strikter Trennung der beiden Bereiche. Die Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne, aber auch SPÖ und FPÖ stimmten zu. Die Neos hätten sich noch mehr Kontrolle gewünscht.

Alle Fraktionen und auch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) einte das Lob für die Harmonie und Konstruktivität bei der gemeinsamen Erarbeitung des Gesetzes. Es sei "im Sinne des Verfassungsschutzes ein historischer Tag", betonte Karl Mahrer (ÖVP). Man sei vom Gegeneinander zum Miteinander gelangt, "das ist gut im Dienste der Demokratie, im Dienste des Parlamentarismus und im Dienste der Menschen". Georg Bürstmayr (Grüne) lobte vor allem die FPÖ für deren sachorientierten, ruhigen und respektvollen Beitrag: "Ich finde es bedauerlich, dass das bei anderen Materien nicht geht." Man habe einen Dienst nach den Regeln des 21. Jahrhunderts geschaffen, Kontrollrechte ausgeweitet und auch eine Whistleblowerstelle geschaffen.

Seitens der Opposition merkte Reinhold Einwallner (SPÖ) kritisch an, dass die breite Beteiligung des Parlaments nicht von Anfang an gegeben gewesen sei. Erst der Terroranschlag in Wien am 2. November des Vorjahres habe dies beschleunigt. Dennoch freute er sich über den nunmehrigen "Meilenstein in der parlamentarischen Kontrolle". Nun gehe es um eine Abkehr von der Personalpolitik der vergangenen Jahrzehnte und das Rückgewinnen des Vertrauens der internationalen Partnerdienste.

FPÖ bedankt sich für Zusammenarbeit, Neos vermissen Kontrolle

Ungewohnte Töne kamen von der FPÖ. Deren Mandatar Hannes Amesbauer dankte allen Fraktionen für die Zusammenarbeit und sprach von Beschlüssen, die gut für das Vertrauen der Bevölkerung in den Nachrichtendienst seien. Speziell hob er hier die Entpolitisierung der Führung hervor. Er wolle auch nicht diskutieren, wer woran Schuld sei, ließ er die Turbulenzen der Razzia im BVT unter FPÖ-Innenminister Herbert Kickl und den darauf folgenden Untersuchungsausschuss außen vor. Den Anstoß für die Reform reklamierte er allerdings sehr wohl für seinen nunmehrigen Parteichef.

Für die Neos sprach Nikolaus Scherak von einer dringend notwendigen Reform. Der Verfassungsschutz sei seit langem eine riesige Baustelle, und die Zerbes-Kommission habe nach dem Terroranschlag erschreckende Ergebnisse über die "Black Box in mehrerer Bedeutung des Wortes" zu Tage gebracht. Die Nicht-Zustimmung seiner Fraktion begründete er mit dem Wunsch nach parlamentarischer Kontrolle auch laufender Verfahren. Den neuen Kompetenzen der Geheimdienst-Ausschüsse des Parlaments - ein eigener Beschluss - stimmten die Neos aber zu.

Nehammer spricht von „neuer Maurer der Republik"

Nehammer bemühte erneut das Bild vom BVT als rissiger Schutzmauer. "Unsere Aufgabe war es, eine neue Mauer der Republik zu bauen." Man sichere damit Freiheit, Grundrechte und Demokratie und wolle national und international Vertrauen zurückgewinnen. Was man geschafft habe, sei die größte Verfassungsschutzreform der Zweiten Republik.

Durch die Trennung zwischen Nachrichtendienst und staatspolizeilichen Aufgaben wird den bisherigen Landesämtern für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung mit der Reform künftig ausschließlich die Aufgabe des Staatsschutzes zukommen. Die "Meldestelle Extremismus und Terrorismus" wird gesetzlich verankert.

Um bessere Information innerhalb der Behörden zu garantieren, werden Fallkonferenzen u.a. mit Behörden, Bildungs- und Deradikalisierungsorganisationen nach Vorbild der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen etabliert. Die Gefährderansprache wird dem Staatsschutz zugewiesen.

Eingerichtet wird eine unabhängige Kontrollkommission. Diese soll systemische Mängel und Optimierungsbedarf in der Organisation aufzeigen. Sie kann entweder aus eigenem Antrieb oder über konkretes Ersuchen des Innenministers oder des Ständigen Unterausschusses im Parlament tätig werden. Daneben soll die Kontrollkommission auch als Anlaufstelle für Whistleblower dienen. Die drei Mitglieder werden vom Nationalrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit bestellt.

Ökosteuer-Reform, Bildungsnovelle und „Raser-Paket"

Was geschah am letzten Sitzungstag des Nationalrats vor der Sommerpause noch? Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), kündigte im Rahmen einer Fragestunde eine große Ökosteuerreform an - und sprach von einem Paket für 2022, „das sich sehen lassen kann“.

Außerdem werden zusätzliche Mittel für die Beschaffung weiterer Corona-Impfstoffe zur Verfügung gestellt. Gesamt werden es 916 Millionen sein, mit denen 2022 und 2023 unterschiedliche Impfstoffe angekauft werden sollen.

Abgesegnet wurde auch eine bunte Bildungsnovelle: Unter anderem werden die Zugangsbeschränkungen verlängert, wird der Quereinstieg in den Pädagogen-Beruf vereinfacht und es gibt neue Regelungen für Weiterbildungsstudien.

Am Programm steht darüber hinaus ein „Raserpaket“, das strengere Sanktionen gegen Schnellfahren und illegale Straßenrennen bringt. 

U-Ausschuss-Cluster zieht weite Kreise

Während am Tag zuvor ein erneuter Versuch der Opposition, den U-Ausschuss um drei Monate zu verlängern, scheiterte, ist eine andere Causa wohl um mehrere Facetten reicher: Der im U-Ausschuss bzw. bei einem informellen Treffen im Anschluss entstandene Corona-Cluster zählt bereits neun infizierte Personen und mehr als 330 Kontaktpersonen, wie am Donnerstag von der Wiener Gesundheitsbehörde bestätigt wurde. Der Großteil von ihnen wurde allerdings als K2-Personen, also mit Niedrig-Risiko-Exposition, eingestuft. Bei rund 230 von ihnen handelt es sich um die Teilnehmer der Landesversammlung der oberösterreichischen Grünen am vergangenen Freitag, an der der grüne Abgeordnete David Stögmüller teilnahm - bevor er von seiner Infektion wusste. Nachdem er am Dienstag ein positives Testergebnis erhalten hatte, gab er sie alle im Rahmen des Contact-Tracing an.

Das Contact-Tracing soll den „Fall null“ identifizieren, also die Frage klären, bei wem die Infektionskette tatsächlich begonnen hat. FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker hatte als erster über ein positives Testergebnis informiert - zu spät, wird ihm vor allem von der ÖVP vorgeworfen. Dass er „Ausgangspunkt“ der Infektionen sein soll, bestreitet die FPÖ vehement.

(APA/Red.)

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