U-Ausschuss

ÖVP prüft Anzeige gegen Staatsanwälte der WKStA

WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda
WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-SandaAPA/HELMUT FOHRINGER
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Die Volkspartei ortet Amtsmissbrauch in der Arbeit einiger Korruptionsstaatsanwälte. Die Chefin der WKStA weist das zurück. Auch Gruppenleiter Weratschnig sagte aus: "Vieles was in den letzten zwei Jahren passiert ist, hätte ich nicht für möglich gehalten."

Im Ibiza-Untersuchungsausschuss liegt der Fokus neuerlich auf den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und der wiederholten Kritik der ÖVP an der Ermittlungsbehörde. Angehört wird dazu am Mittwoch neben Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, die bereits zum zweiten Mal befragt wird, auch der bei der Behörde tätige Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig. Bereits zuvor hatten WKStA-Vertreter im Ausschuss über „Störfeuer" und Behinderungen bei ihrer Arbeit geklagt.

Im Gegenzug hatte die ÖVP - insbesondere deren Fraktionsführer im U-Ausschuss, Andreas Hanger - wiederholt Kritik an der WKStA geübt. Auch am Mittwoch hielt Hanger vor Befragungsbeginn damit nicht hinter dem Berg. Einzelne Sachbearbeiter, insbesondere Oberstaatsanwalt Matthias Purkart, agierten „politisch befangen", sagte er. Zudem würden permanent Persönlichkeitsrechte verletzt. Daher prüfe die ÖVP derzeit „in enger Abstimmung mit Experten" eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs. Es gehe dabei nicht um die WKStA als gesamtes, sondern um die Arbeit einzelner Staatsanwälte, insbesondere jene von Purkart, betonte er.

Diese Aussage Hangers kritisierte SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer: Dass hier ein Abgeordneter im Schutz der Immunität einem Staatsanwalt Befangenheit vorwirft, ohne ein Indiz vorzulegen, sei „grenzüberschreitend". Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli kritisierte ihrerseits das „Dirty Campaigning" des türkisen Koalitionspartners gegen die WKStA. Die bisher gelieferten Chats zeigten ein Ausmaß eines Sittenbildes, „das wir nicht erwartet hätten". Und FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker merkte an: „Wenn jeder Tag ein ÖVPler wegen der Arbeit des U-Ausschusses zurücktritt, würde ich sagen, dass er höchst effizient ist."

"Einmal mehr" sahen sich in der Folge auch die Standesvertreter am Mittwoch veranlasst, allfällige Einschüchterungsversuche gegenüber Staatsanwaltschaften wie die WKStA sowie gegenüber einzelnen Staatsanwälten "strikt zurückzuweisen". "Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte haben keine politische Agenda, sie machen ihren Job! Das politische Tagesgeschehen hat keinen Einfluss auf ihre Arbeit", hielt die Standesvertretungs-Präsidentin Cornelia Koller den Vorwürfen entgegen. Grundlage ihres Handelns sei ausschließlich das Gesetz, und das verpflichte sie zur Aufklärung des Sachverhalts, wenn eine Anzeige einlangt, merkte Justiz-Gewerkschaftschef Martin Ulrich an.

Vrabl-Sanda: „Motivlagen der Anzeiger spielen keine Rolle“ 

Vrabl-Sanda vermutete schließlich bei ihrer Befragung, dass die Arbeit bzw. der gesetzliche Arbeitsauftrag der Staatsanwaltschaft offenbar von manchen nicht verstanden werde: „Die Staatsanwaltschaft ist gesetzlich verpflichtet, Anzeigen zu prüfen und darf dabei weder berücksichtigen, von wem sie kommen noch gegen wen sie gerichtet sind. Sie darf bei dieser Prüfung auch nicht berücksichtigen, welche Auswirkungen ein mögliches Ermittlungsverfahren in der politischen Diskussion mit sich bringen könnte. Es entspricht nicht dem Gesetz, Anzeigen deren weitere Verfolgung Aufregung erzeugen könnte, nicht weiter zu verfolgen. Auch die Motivlagen der Anzeiger spielen keine Rolle. Entscheidend ist allein der Inhalt", erläuterte sie die Arbeit der Ermittler.

Zudem kritisierte Vrabl-Sanda die Angriffe auf einzelne Staatsanwälte. Wenn gegen bestimmte Personen ermittelt werde, gebe es aber „regelmäßig solche Vorwürfe - egal welche Qualifikation dem Kollegen bisher attestiert wurde“. Sie verstehe das „als Versuch der Einschüchterung“. Die Motivation potenziell interessierter und qualifizierter Staatsanwälte für die WKStA leide auch darunter - nach dem Motto: „Warum soll ich mir das antun?“ Sie erhoffe und erwarte sich, „dass damit jetzt Schluss ist und der Blick in die Zukunft gerichtet werden kann“.

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Ibiza-Ermittler kritisiert Leaks und Dienstaufsicht hart

Mit Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Auskunftsperson ist der WKStA-Tag im Ibiza-U-Ausschuss weitergegangen. Er schilderte, was seine Kollegen "leisten und ertragen". "Korruptionsbekämpfung ist kein Spaziergang, sondern ein Marathon", so Weratschnig. Er kritisierte, dass Zwangsmaßnahmen im Zuge der Ermittlungen verraten worden sein könnten und die Dienstaufsicht, die statt zu unterstützen Repressionen ausübe.

"Vieles was in den letzen zwei Jahren passiert ist, hätte ich nicht für möglich gehalten", sagte der WKStA-Gruppenleiter im Ibiza-Komplex, der Teamleiter von insgesamt fünf Staatsanwälten ist. Allerdings sei kein Teammitglied alleine für die politisch heikle Thematik abgestellt. Jedenfalls würde bis spät abends und oft auch wochenends gearbeitet und die Kolleginnen und Kollegen seien auch im Urlaub erreichbar.

"Es gibt Indizien im Verfahren, dass Hausdurchsuchungen vorher verraten wurden", sagte Weratschnig: "Umfangreiche Vorarbeiten werden damit zunichtegemacht. Aktenleaks erschweren die Arbeit. Veröffentlichungen sind nicht im Interesse der WKStA."

Das Neueste, was er sich vor dem Ibiza-Verfahren nicht vorstellen habe können, waren die vorige Woche öffentlich gewordenen Chats. Diese legten "angeblich geplante Zwangsmaßnahmen über Mitarbeiter des Ibiza-Teams" nahe. "Es hat mich als Gruppenleiter sehr betroffen gemacht, dass man so etwas in der Regierung sieht - ohne für mich nachvollziehbare gesetzliche Grundlage und ohne dass es Dienstverletzungen gab. Ich denke das gehört jedenfalls analysiert und aufgearbeitet."

WKStA-Gruppenleiter Weratschnig im U-Ausschuss am Mittwoch.
WKStA-Gruppenleiter Weratschnig im U-Ausschuss am Mittwoch.APA/HELMUT FOHRINGER

„Beträchtlicher Aufwand, uns das Leben schwer zu machen"

Auch die Fülle dienstaufsichtsbehördlicher Prüfungen sei immens. Vorm Ibiza-Verfahren habe er seit 2007 eine einzige solcher Prüfungen erlebt, im jetzigen Verfahren habe es eine "ungeahnte Fülle solcher Untersuchungen gegeben", die er "für absolut unmöglich gehalten" habe. "Ich hätte auch nicht für möglich gehalten, dass Fragen an die Dienstaufsicht - wir hatten sehr viele - nicht einmal beantwortet werden", so Weratschnig. Die Dienstaufsicht solle eigentlich einen "unterstützenden Charakter" haben. "Auch haben die Chats belegt, dass hier doch beträchtlicher Aufwand der Dienst- und Fachaufsicht betrieben wurde, uns das Leben schwer zu machen."

"Und dann wurden vor einem Jahr Mails zwischen (dem derzeit suspendierten Justizsektionschef Christian, Anm.) Pilnacek und Oberstaatsanwalt Johann Fuchs öffentlich, in denen Fuchs Pilnacek eine negative PR-Strategie in Aussicht stellt." Zudem habe Fuchs die Dienst- und Fachaufsicht heranziehen sollen, um aufkeimende Probleme nachhaltig zu beseitigen. "Das ist Repression statt Unterstützung", kritisierte Weratsching "all diese Punkte, die in dem Verfahren so gebündelt vorkommen, dass ich es bis zu diesem Zeitpunkt für unmöglich gehalten habe".

Die Fachaufsicht sollte daher verlagert werden, weg von der Oberstaatsanwaltschaft Wien, forderte Weratschnig. Man orte eine Befangenheit, habe dies dem Justizministerium mitgeteilt. Zuständig sei er aber nicht für das Thema.

Bei Anfangsverdacht „Ermitteln ein Muss"

"Der öffentliche Druck ist sehr hoch, im Team wird jeder Schritt sehr sorgfältig überlegt - auch dahin gehend, wie Ressourcen gebunden werden. Wenn es einen Anfangsverdacht gibt, ist das Ermitteln ein Muss." Verfahrenseinstellungen oder Freisprüche seien keine Niederlagen für die Staatsanwaltschaft sondern in einem Rechtsstaat normal. Zudem gebe es Ligitation-PR gegen die WKStA und einzelne Kollegen würden angegriffen. Öffentlich behaupte niemand etwas anderes, als dass Korruption offensiv bekämpft werden müsse. "Wie man das ausgestaltet, darüber gehen die Meinungen aber deutlich auseinander", sagte Weratschnig. Der Reifegrad eines Systems erschließe sich jedoch am deutlichsten daraus, ob auch höchste Amtsträger involviert seien.

Trotz aller Schwierigkeiten habe man in der Ibiza- und Casinos-Causa bisher aber "sehr gute Ermittlungen geführt und unzählige Stränge zu einem Abschluss gebracht". Dass auch eine Debatte über die Justiz bzw. Ermittlungsbehörden entstanden sei, sei gut so - vor allem, dass eine Entflechtung der Politik und der Weisungsspitze nun Thema sei. Offensive Korruptionsbekämpfung verlange zudem, dass Infos über bevorstehende Zwangsmaßnahmen nicht verraten würden. Das gehe nur, wenn möglichst wenige informiert werden müssten. "Sonst sind die Verfahren gelaufen, bevor sie begonnen haben."

Die Zusammenarbeit mit der SoKo Tape verlief zunächst gut, resümierte der Gruppenleiter, eingetrübt habe sie sich durch eine anonyme Anzeige, wonach Mitglieder der SoKo Mitglieder politischer Parteien seien. "Dem sind wir nachgegangen", so Weratschnig, die SoKo habe aber keine Auskunft erteilen wollen. So habe man selbst per Google recherchiert und an die vorgesetzte Dienststelle berichtet. "Dann hat sich das Klima etwas getrübt."

(Red./APA)

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