EU-Gipfel

Protestnote: 16 EU-Chefs fordern Einhaltung von LGBT-Rechten

Proteste gegen das neue Anti-LGBT-Gesetz in Budapest blieben ungehört. Auch von den EU-Regierungschefs kommt Kritik an Ungarn.
Proteste gegen das neue Anti-LGBT-Gesetz in Budapest blieben ungehört. Auch von den EU-Regierungschefs kommt Kritik an Ungarn.REUTERS
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Das Schreiben gilt als Reaktion auf eine umstrittenes ungarisches Gesetz, erwähnt Ungarn aber nicht direkt. Auch Kanzler Kurz ist unter den Unterzeichnern.

Die Staats- und Regierungschefs von zahlreichen EU-Staaten fordern vor dem EU-Gipfel in Brüssel in einer Erklärung die Einhaltung von Rechten der LGBTI-Gemeinschaft. Nach Angaben des Nachrichtenmagazins "Politico" fordern die Unterzeichner, "weiter gegen Diskriminierung der LGBTI-Gemeinschaft zu kämpfen und die Verteidigung ihrer Grundrechte zu bekräftigen". Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) unterstützt den Brief.

Die Protestnote erwähnt Ungarn nach Angaben von "Politico" nicht namentlich, sie ist aber eine offensichtliche Reaktion auf das vom Parlament in Budapest beschlossene, umstrittene Homosexuellen-Zensurgesetz. 17 EU-Staaten hatten gegen das Gesetz protestiert. "Politico" listete zunächst folgende Unterzeichner auf: Alexander De Croo (Belgien), Mette Frederiksen (Dänemark), Angela Merkel (Deutschland), Kaja Kallas (Estland), Micheál Martin (Irland), Kyriakos Mitsotakis (Griechenland), Pedro Sánchez (Spanien), Emmanuel Macron (Frankreich), Mario Draghi (Italien), Nicos Anastasiades (Zypern), Krišjānis Kariņš (Lettland), Xavier Bettel (Luxemburg), Robert Abela (Malta), Mark Rutte (Niederlande), Sanna Marin (Finnland) and Stefan Löfven (Schweden). Aus dem Bundeskanzleramt in Wien hieß es am Donnerstag, Kurz unterstütze und unterschreibe den Brief ebenfalls, der an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel und den portugiesischen Premier Antonio Costa gerichtet ist.

„Herzstück des europäischen Projekts"

"Wir müssen weiterhin gegen die Diskriminierung der LGBTI-Gemeinschaft kämpfen und erneut bekräftigen, dass wir ihre Grundrechte verteidigen", schrieben die EU-Chefs in dem gemeinsamen Brief an die Spitzen der Europäischen Union. Die englische Abkürzung LGBTI steht kurz für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans, Inter. "Respekt und Toleranz sind das Herzstück des europäischen Projekts", heißt es in der Erklärung weiter. "Wir sind entschlossen, diese Anstrengungen fortzuführen und dafür zu sorgen, dass die künftigen Generationen Europas in einem von Gleichberechtigung und Respekt geprägten Umfeld aufwachsen." Der Brief erwähnt als Anlass den International Lesbian Gay Bisexual and Transgender Pride Day am kommenden Montag (28. Juni).

Kritisch zum ungarischen Gesetz geäußert haben sich die EU-Gründerstaaten Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg, weiters u.a. auch Österreich, von den östlichen EU-Staaten nur Estland und Lettland. Länder wie Polen, die Slowakei, Tschechien, Slowenien, Kroatien, Bulgarien oder Rumänien sind nicht unter den Kritikern.

EU-Kommissionschefin von der Leyen will wegen des umstrittenen Gesetzes zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität gegen Ungarn vorgehen. Das ungarische Gesetz sei "eine Schande", sagte von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Das Gesetz diskriminiere Menschen "aufgrund ihrer sexuellen Orientierung" und verstoße gegen die "fundamentalen Werte der Europäischen Union. Sie habe deshalb ihre zuständigen Kommissare aufgefordert, einen Brief an Ungarn zu schicken, "um unseren rechtlichen Bedenken Ausdruck zu verleihen, bevor das Gesetz in Kraft tritt".

Der seit 2010 an der Macht befindliche, rechtskonservative ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán will nach eigenem Bekunden eine "illiberale Demokratie" errichten und ist in zahlreichen Belangen deswegen mit der EU im Clinch.

Erklärt

LGBTIQA+ ist ein Akronym und steht für die Begriffe „Lesbian“ (lesbisch), „Gay“ (schwul), „Bisexual“ (bisexuell), „Transgender", „Intersex“ (nicht einem bestimmten Geschlecht zugehörig), „Queer" und „Asexual“ bzw. „Agender". Das Plus am Ende der Abkürzung soll auch jene Menschen in diese Gruppe miteinbeziehen, die sich selbst eine andere Zuschreibung geben, als die angeführten. „LGBT“ ist eine häufig gebrauchte Kurzform davon.

„Queer“ ist zwar auch ein Bestandteil von LGBTIQA+, mit dem Adjektiv (ursprünglich „seltsam“, „sonderbar") bezeichnen sich viele Personen aus der LGBTIQA+-Comunity.

Polen verteidigt ungarisches Gesetz

Der polnische Botschafter in Berlin, Andrej Przylebski, verteidigt die ungarische Regierung gegen die europäische Kritik am Gesetz über den Umgang mit Homosexualität und Transgender-Identität. "Das Recht des ungarischen Parlaments, Schulkinder vor der Beschäftigung mit der homosexuellen Problematik gesetzlich zu schützen, ist evident und unbezweifelbar", sagte Przylebski dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Dies habe nichts mit Intoleranz zu tun, geschweige denn mit der Verfolgung Homosexueller oder der Beschränkung ihrer bürgerlichen Rechte. Das Gesetz sei seines Wissens auf die Schulausbildung begrenzt, sein Sinn sei also, Kinder vor der Frühsexualisierung zu schützen. "Den Versuch, das ungarische Volk durch die geplante Beleuchtung des Stadions in München während des Fußballspiels Deutschland-Ungarn anzuprangern, finde ich unangebracht und verletzend." Die Partie zwischen Deutschland und Ungarn endete übrigens 2:2.

Mit der Beleuchtung in Regenbogenfarben wollte die Stadt München gegen das ungarische Gesetz protestieren. Der europäische Fußball-Verband Uefa hatte es jedoch verboten. Die Farben gelten als Zeichen der Toleranz.

(APA)

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