Katharina Reich, oberste Beamtin im Gesundheitsministerium, plädiert für eine „Maskenpflicht für alle“. Und appelliert an jeden Einzelnen: „Können wir Gescheites nicht einfach machen?"
In wenigen Tagen werden rund zehn Prozent der in Österreich derzeit verfügbaren Intensivbetten mit Menschen belegt sein, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben. So lauten die Prognosen, auf die sich die türkis-grüne Bundesregierung stützt - und die sie zum Anlass für einen neuen „Stufenplan“ zur Eindämmung der Pandemie nimmt. Konkret sollen ab 15. September verschärfte Maßnahmen, allen voran für ungeimpfte Personen, gelten. Eine Ankündigung, die einiges an Kritik ausgelöst hat.
FPÖ-Obmann Herbert Kickl nannte das Vorgehen von ÖVP und Grünen „in jeder Hinsicht grotesk“. Von einer „Pandemie der Ungeimpften“ zu sprechen, wie es Kanzler Sebastian Kurz getan hatte, sei absurd. Für die SPÖ kommen die Maßnahmen zu spät und fallen zu zögerlich aus. „Zögerlich, zaudernd, zerfleddert“, nannte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger die Vorgaben - Ähnliches ist seitens des Handels zu hören, wo man sich äußert irritiert darüber zeigt, dass Ungeimpfte beim Einkauf verpflichtend eine FFP2-Maske zu tragen haben, Geimpfte und Genesene lediglich einen Mund-Nasen-Schutz. Das sei mehr politisches Kalkül als epidemiologisch notwendig, um noch mehr Menschen zur Impfung zu bewegen, heißt es von Branchenvertretern.
„Können wir Gescheites nicht einfach machen?“
Mit der Kritik konfrontiert, sagte die oberste Beamtin im Gesundheitsministerium, Katharina Reich, am Donnerstag im Ö1-„Morgenjournal": „Das ist das Ergebnis von Verhandlungen, das ist eine politische Entscheidung - und politische Entscheidungen sind manchmal zäh und langwierig.“ Es handele sich um „das kleinste gemeinsame Vielfache“. Aber, so die Expertin, in Wahrheit müsse man sich die Frage stellen: „Brauchen wir für alles eine Verordnung? Können wir nicht Dinge, die gescheit, wichtig und richtig sind, einfach so machen?“, sieht sie jeden Einzelnen aufgefordert, im Sinne des Gemeinwohls zu agieren.

Die Pandemie laufe in Wellen ab. Aufgabe sei es, diese möglichst flach zu halten und eine Überlastung der Spitäler zu vermeiden - dafür seien Masken das einfachste und billigste Mittel, um sich nicht anzustecken, meinte Reich. Und fügte einen Appell an: „Stecken Sie sich nicht an - vor allem jene, die ungeimpft sind. Aber es gilt derzeit auch für die Geimpften“, denn diese „sind nicht aus dem Schneider, da sie leider das Virus weitergeben können“. Eine „Maskenpflicht für alle" sei daher ratsam, „so lange wir bei der Durchimpfungsrate nicht weiterkommen“.
Auf den Einwand von Handelsvertretern und Polizei, wonach es nicht deren Aufgabe sei, zu kontrollieren, ob Personen geimpft, genesen oder negativ getestet seien, sagte Reich: „Ich glaube, es geht nicht darum, dass wir bei jedem Eintritt in den Handel lückenlos Kontrollsheriffs aufzustellen, aber es geht darum, Stichprobenkontrollen zu machen.“
„Es gibt nicht mehr Betten als vor einem Jahr“
Dass die neuen Regeln bundesweit in Kraft treten und es keine regionalen Ausnahmen gibt - in Vorarlberg ist die Spitalsauslastung momentan etwa weitaus geringer als in Wien - begründet Reich damit, dass man in der Pandemie „ganz Österreich denken“ müsse.
Und sie hält fest: „Es gibt überhaupt nicht mehr Betten als vor einem Jahr." Betten könnten nicht einfach so gebaut, eine Decke drüber gelegt und Maschinen daneben gestellt werden, um ein neues Intensivbett zu haben. Es gehe auch um das entsprechend geschulte Personal. Gerade dieses habe in den vergangenen Monaten „ziemlich wilde Zeiten“ erlebt, da könne man nun nicht mit dem Finger schnippen und sagen, man hole sich jetzt von hier und dort neue Leute. Vielmehr sei eine langfristig ausgelegte, adaptierte Ausbildung vonnöten.
Kurzfristig hingegen hätte sie die nun verhängten Maßnahmen „gerne strenger gehabt“, meinte Reich. Ein Anliegen, das sich realisieren könnte, wie sie im ORF-Radio prognostiziert: „Wenn wir sehen, dass es zu wenig ist - das werden wir bald sehen -, dann können wir über Nachschärfungen sprechen."
(hell)