Leitartikel

Nicht Merkel, nicht Kurz sind die Partei

(c) imago images/Achille Abboud (Achille Abboud via www.imago-images.de)
  • Drucken

Es mag klingen wie eine paradoxe Intervention, aber anlässlich lokaler und der deutschen Wahlen ertönt hier ein kleines Loblied auf die guten alten Parteien.

Parteien haben einen schlechten Ruf, gelten als überkommen bis verzopft, werden mit Postenschacher assoziiert. Was, wenn dieses auch an dieser Stelle schon häufig schnell gefällte Urteil so nicht stimmt?

Wenn klassische Parteien bei Wahlen wie heute zwar teilweise an Zuspruch verlieren, dank ihrer traditionellen Strukturen, ihrer mehr oder weniger transparenten politischen Ausrichtung und ihrer Nachwuchsarbeit noch immer stabile Anker unserer demokratischen Systeme sind? Zugegeben, das ist eine gewagte These, ein Blick auf manche Spitzenkandidatinnen und -kandidaten, Generalsekretäre, Bundesgeschäftsführer sowie Hintermänner erweckt nicht gerade den Headhunter in uns.

Doch die Breite und die unterschiedlichen demokratischen Spielregeln innerhalb der Parteien sind Garant für einen wenn auch langsamen inhaltlichen und personellen Erneuerungsprozess vieler Parteien und damit Regierungen wie Länder. Beispiel Deutschland: Gerade die Pandemiebekämpfung und die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre zeigten, dass das Land von Landeschefs, Koalitionen und Parteien geführt wurde. Nicht von Angela Merkel allein. Es war das Phänomen dieses Wahlkampfs, dass die US-TV-Logik eines Duells (oder eben Triells) um die Kanzlerschaft flächendeckend zum Einsatz kam, und nicht die einer Bundestags- und somit Parteienwahl. Diese völlige Personalisierung nach der Ära der steinernen Lady Angela Merkel mag medial verständlich sein, politisch ist sie das nicht. Die CDU wird sich in jedem Fall runderneuern müssen wie einst nach Helmut Kohl. Armin Laschet wurde wider besseres Wissen zum Spitzenmann gekürt, in der Opposition wird er nicht lang die Partei führen, als Kanzler hätte er sehr viel Luft nach oben. Aber die CDU wird auch eine Ampelkoalition überleben.
Soll heißen: Deutschland wird weiter von Parteien geführt, vermutlich sogar von dreien. Die Grünen dürften in jedem Fall dabei sein, die FDP hat ziemlich gute Chancen. In der SPD wird sich zeigen, ob sich die Dankbarkeit gegenüber dem Retter in der Not, Olaf Scholz, oder doch die Neigungsgruppe Selbstüberschätzung unter Kevin Kühnert durchsetzen wird.

Und dann wäre da noch Oberösterreich, das auch heute wählt. Je nach Erwartungshaltung wird der große oder kleine Wahlsieger Thomas Stelzer am Wahlabend endgültig beweisen, dass im Gegensatz zu Deutschland Erbfolgen in dominierenden Parteien gut machbar sind. Stelzer wird danach entscheiden, ob er wie im Bund mit den Grünen gegen den Klimawandel koaliert oder doch weiter mit der FPÖ. Damit kann er der Partei die letzte kleine Tür zur Regierungsfähigkeit und gegen den eigenen Herbert Kickl offenhalten. Der erlebt in seiner Partei gerade einen kleinen Aufstand mit der Spritze von Spitzenfunktionären, die sich impfen lassen.

Stelzer könnte zudem mit der Logik einer gestärkten Landespartei den Kanzler daran erinnern, dass er bei einer (protokollierten) Aussage vor dem Richter wegen des Vorwurfs der Falschaussage im U-Ausschuss mehr Respekt vor der Justiz, weniger Emotion hätte zeigen sollen. Und dass Kurz in einem Punkt massiv irrte: Nicht er ist die Partei. Die Partei sind immer mehr und viele.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

GERMANY-POLITICS-VOTE-ELECTION
Deutschland-Wahl

Armin Laschet bleibt auch bei der Stimmabgabe eine Panne nicht erspart

Als Laschet den Zettel in die Urne warf, konnten alle Umstehende sehen, was er angekreuzt hatte. Das ist in Deutschland eigentlich nicht erlaubt.
Olaf Scholz (SPD) - Bundesfinanzminister
Showdown

Duell um Deutschland

Am Sonntag wählt Deutschland das erste Post-Merkel-Parlament. Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) schielen auf das Erbe der Kanzlerin. Das Rennen ist eng.
Zu wenige Babys: In Deutschland bekommt eine Frau zurzeit im Schnitt 1,54 Kinder. Bei Nachbar Frankreich waren es zuletzt 1,86.
Demografie

Einsame Zukunftsaussichten in Deutschland

Die Demografie kam im deutschen Wahlkampf nur am Rand vor. Dies, obwohl die Überalterung nicht nur Kosten verursacht, sondern auch die Vormachtstellung in Europa bedroht.
Germany goes to the polls in the German federal elections
Deutschland-Wahl

Deutschland wählt: Was wann zu erwarten ist

Die Parlamentswahl besiegelt das Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel. Wer wird stärkste Kraft? SPD oder doch CDU/CSU?

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.