Die FDP führt erstmals seit mehr als einem halben Jahrhundert das Finanzministerium. Formal könnte der Grüne Habeck die Nummer zwei der neuen Regierung werden.
Wien/Berlin. Am Anfang war ein Selfie. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, sein Generalsekretär Volker Wissing und die beiden Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock blicken Ende September an einem geheim gehaltenen Ort in die Handykamera. Das Bild wurde tausendfach vermessen und gedeutet. Angeblich sieht man darauf einen neuen Politikstil. Aus heutiger Sicht zeigt das Selfie jedenfalls den Beginn von Gesprächen, die keine zwei Monate später in der Verkündung der ersten rot-grün-gelben Ampel-Koalition auf Bundesebene gipfelten – unter der Führung von Olaf Scholz (SPD). Und es zeigt vier Politiker, die nie Bundesminister waren, aber künftig sein dürften, die also die Geschicke von Europas größter Volkswirtschaft maßgeblich mitbestimmen werden.
Es ist noch nicht lang her, keine drei Monate, da fehlte Christian Lindner die „Fantasie“ für ein Ampel-Bündnis, also genauer wusste er nicht, was die Sozialdemokraten der FDP anbieten könnten. Nun ja, das Finanzministerium zum Beispiel. Der 42-jährige Lindner soll das Schlüsselressort in der Berliner Wilhelmstraße führen – für die Liberalen markiert das eine Zäsur. Die FDP regierte zwar die längste Zeit der Nachkriegsgeschichte als Juniorpartner in Bonn und später in Berlin mit. Sie schob inhaltlich auch oft Steuerthemen nach vorn. Aber im Finanzministerium saß sie erstaunlicherweise nur zwei Mal – und das letzte Mal liegt 55 Jahre zurück.