Gesundheitsminister Mückstein rechtfertigt die neuen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung - und die geplante Impfpflicht. Auch die Leiterin des Corona-Krisenstabes sieht mit Omikron die Karten neu gemischt.
Die türkis-grüne Bundesregierung verschärft - nach Beratungen mit den Landeshauptleuten und Experten des Krisenstabes „Gecko“ - die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. So muss etwa ab dem 11. Jänner auch im Freien eine FFP2-Maske getragen werden, sofern ein Abstand von zwei Metern zu anderen Personen nicht eingehalten werden kann. Ein Vorgehen, das sein müsse, wie Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Donnerstagabend in der ORF-Sendung „ZiB2“ betonte. Denn, es gehe darum, einen allgemeinen Lockdown zu verhindern und die kritische Infrastruktur zu schützen. Die Leiterin des Corona-Krisenstabes „Gecko“, Katharina Reich“, räumte indes via „Ö1“ ein, dass es dennoch zu einer „Durchseuchung“ kommen werde.
Der Reihe nach: Danach gefragt, warum die neuen Maßnahmen nicht noch strenger ausfallen, immerhin steigen die Infektionszahlen in Österreich derzeit stark an - 8786 neue Coronafälle wurden am Freitag gemeldet, am Donnerstag der erste Todesfall, der auf die Variante Omikron zurückgeht -, meinte Mückstein im ORF: Die Bandbreite, wie Länder in Europa mit Omikron umgehen, sei sehr groß. Während „England quasi keine Maßnahmen“ verhänge, befinde sich „Holland seit drei Wochen im Lockdown“. Österreich sei im Vergleich dazu schon jetzt auf der strengeren Seite, immerhin gelte eine frühere Sperrstunde, „eine 2-G-Regel, die praktisch überall gilt“ und ein Lockdown für Ungeimpfte.
„Das heißt: Wir haben ein sehr strenges Maßnahmen-Korsett“, meinte Mückstein. Nun habe man nachgeschärft: Neben der FFP2-Maskenpflicht im Freien ist der „Grüne Pass“ nach zwei Impfungen nur noch sechs Monate lang gültig, die 2-G-Regel (nur Eintritt für Geimpfte oder von Covid-19-Genesene) muss ab sofort in jedem Geschäft streng kontrolliert werden. Zudem gelten dreifach geimpfte Erwachsene und zweifach geimpfte Kinder nicht mehr als Kontaktpersonen von positiv Getesteten.
Omikron leitet „Paradigmenwechsel“ ein
Mit „der wesentlich ansteckenderen Variante“ Omikron „haben wir einen Paradigmenwechsel“, räumte der Ressortchef dann aber ein. Aber: Während bei einer Infektion mit der Delta-Variante „einer von vier Menschen, der wegen Corona ins Spital gekommen ist, auf die Intensivstation gekommen ist“, handele es sich bei Omikron um einen von zehn. Die Verläufe seien folglich milder.
Auf die Frage, ob deswegen nun großflächige Infektionen in der Gesamtbevölkerung in Kauf genommen würden, um eine Art Herdenimmunität zu erreichen, wollte Mückstein nicht sagen. Gesundheitsbeamtin Reich tat es gegenüber Ö1 sehr wohl: „Das Wort Durchseuchung ist ein negativ behaftetes Wording, ein Begriff, der Angst macht", sagte sie. „Es wird passieren, das ist der Punkt. Nicht es soll, sondern es wird. Es ist so ansteckend, dass wir nicht daran vorbeikommen.“
Mit einer Impfung, insbesondere einer Dreifachimpfung, sei man aber gut geschützt, fügte Reich an: „Wir wissen aber, dass wir einen Teil noch nicht erreicht haben.“ Tatsächlich hätten aktuell nur 74 Prozent der impfbaren Bevölkerung ein gültiges Impfzertifikat.Auch Mückstein pochte einmal mehr auf die Impfung: Das Ziel sei weiter, möglichst viele Menschen zu überzeugen, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, betonte er. Die Idee, bisher Unwillige für einen Stich zu bezahlen, sieht er skeptisch: „Das Bezahlen für die Impfung hat Vor- und Nachteile.“ Es sollten möglichst viele Anreize geschaffen werden, aber „ob das probate Mittel hier ist 250 oder 500 Euro zu zahlen, das muss man prüfen“. Nicht mehr gerüttelt werden kann, nach Meinung des Gesundheitsministers, an der für Februar geplanten Impfpflicht. Sie werde „fix“ kommen: „Das Impfen ist der Weg aus der Pandemie.“
Gastkommentar zum Thema
Zu den Neuerungen hinsichtlich der Kontaktpersonenregelung gefragt, meinte Reich: „Wo es nicht mehr funktioniert, muss der Mensch selber ohne Behörde aktiv sein.“ Soll heißen: Den Beamten werde es aufgrund der rasant steigenden Infektionszahlen nicht mehr möglich sein, alle Kontaktpersonen zu ermitteln. „Klar ist: Die, die positiv sind, müssen wir herausfischen", sagte Reich.
Dass es zu einem weiteren Lockdown kommen könnte, wollten weder Mückstein noch reich ausschließen. Letztere stellte überdies mögliche neue Kriterien in den Raum: Die Marke von 33 Prozent bei der Belegung von Intensivstationen könnte durch einen Marker ersetzt werden, der sich auf die Belegung von Normalbetten bezieht, so die Gesundheitsbeamtin.
Pilz: „Niemand erklärt, niemand fragt nach"
Die Wiener Patientenanwältin - und ehemalige Gemeinderätin der Wiener Grünen - Sigrid Pilz übte harsche Kritik an den Aussagen. "Jetzt ist es klar ausgesprochen: Die Durchseuchung wird in Kauf genommen", konstatierte sie via Twitter. Fraglich sei nun, wer die langfristigen Folgen für die Kinder, die kaum geschützt in der Schule und im Kindergarten seien, verantworten werde. "Niemand erklärt, niemand fragt nach. Das ist unakzeptabel", befand Pilz.
Die neuen Regeln auf einen Blick
Ab 11. Jänner gilt in Österreich eine FFP2-Maskenpflicht im Freien bei Unterschreitung eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern, außerdem kommt es zu verpflichtenden 2-G-Kontrollen im Handel. Bereits ab 8. Jänner wird zudem die Quarantäne für Kontaktpersonen verkürzt. Wo es möglich ist, soll Homeoffice verrichtet werden.
Ab Samstag gibt es keine Unterscheidung mehr zwischen K1- und K2-Personen. Künftig wird man außerdem keine Kontaktperson mehr sein, wenn man dreimal geimpft ist oder wenn alle Beteiligten eine FFP2-Maske getragen haben. Das gilt auch für Kinder, die noch keine dritte Impfung erhalten. Für alle, die als Kontaktpersonen eingestuft werden, gilt: Freitesten ist ab dem fünften Tag mit einem PCR-Test möglich.
Die Gültigkeit des „Grünen Passes“ wird ab 1. Februar auf sechs Monate verkürzt – und zwar für all jene, die bisher zweifach geimpft sind. Für dreifach Geimpfte bleibt die Gültigkeit bei neun Monaten.
>>> Gecko-Leiterin Reich im Ö1-„Morgenjournal"
>>> Gesundheitsminister Mückstein in der „ZiB2“
(hell/APA)