Morgenglosse

Sebastian Nehammer

Sebastian (Kurz und Karl) Nehammer.
Sebastian (Kurz und Karl) Nehammer.(c) APA (Helmut Fohringer)
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Der österreichische Kanzler hat bei seinem Besuch bei Putin inhaltlich nicht viel erreicht. Innenpolitisch dürfte sich der Ausflug nach Moskau dennoch auszahlen.

Es war eigentlich eine Aktion, die man eher Sebastian Kurz zugetraut hätte. Eine heikle Reise nach Moskau ohne sich mit dem Koalitionspartner abzusprechen. Die Spitzen der EU wurden informiert, aber viel mehr auch nicht. Und wie schon zu Zeiten von Kurz spielt die deutsche „Bild“ (zumindest indirekt) eine Rolle.

Daraus kann man entweder folgern, dass Karl Nehammer das Beraternetzwerk von seinem Vorgänger zum Gutteil übernommen hat. Oder dass in dem - wie alle immer betonen: „team-orientierten“ - Karl Nehammer doch noch andere, der internationalen Aufmerksamkeit nicht abgeneigte Seiten stecken. Wobei jene, die ihn in den letzten Tagen aus der Nähe beobachteten, meinen: Man glaube dem Kanzler und Militär-Auskennner, dass es ihm ein großes Anliegen sei, gegen diesen Krieg etwas zu tun – irgendetwas. Der EU-Experte Stefan Lehne erklärte das in der ZiB2 Montagabend fast psychologisch: Da Österreich wenig ausrichten könne – also weder auf russisches Gas verzichten noch der Ukraine Waffen liefern – habe man eben das Bedürfnis, anderweitig tätig zu werden. Quasi als Ersatzhandlung.

Auch wenn letztlich nichts Handfestes für die Ukraine dabei herausgekommen ist. Allerdings war das ja auch nicht der Anspruch, wie Nehammer selbst einräumt. Es ist eher ein Fall einer „Nutzt‘s-nix-schadt’s nix-Diplomatie“, die sich nur kleine Länder leisten können.

Man muss nicht einmal „Kreisky“ sagen

Was nun den Schaden betrifft, den manche vorab prognostiziert haben, so hält sich der bis dato nämlich in Grenzen. Zwar wird im russischen Staats-TV betont, dass ein erster westlicher Politiker seine Aufwartung gemacht hat. Aber Österreich war schlau genug, dem Kreml keine Bilder zu liefern, dessen offizielles Statement man fast als subtile Retourkutsche interpretieren könnte. Es besteht nämlich aus einem einzigen Satz: „Das Gespräch hat im Vergleich zu Gesprächen mit anderen Staatsgästen nicht lange gedauert.“

Puncto Nutzen für Österreich muss man unterscheiden. Außenpolitisch ist die Bilanz gemischt: Kritik, versprengtes Lob, höfliches Schweigen. Innenpolitisch wird es sich aber unterm Strich ausgezahlt haben – trotz grantigen Grünen. Und Nein, hier geht es nicht um ein Ablenken von der Cobra-Affäre. Das wäre erstens zu billig und zweitens war die Moskau-Reise wohl schon länger geplant. Ziemlich bewusst muss Nehammer dagegen gewesen sein, dass die explizite Solidarität mit der Ukraine nicht uneingeschränkt gut ankommt – vor allem bei den Hütern der Neutralität. Seine Kiew-Reise nannte die „Krone“ etwa ein „Risiko für die Neutralität Österreichs“. Der Trip nach Moskau ist insofern auch ein Signal: Seht her, wir reden mit beiden Seiten.

Und eben genau das ist im rot-weiß-roten Selbstverständnis nach wie vor fest verankert. Dazu braucht es gar keine Analyse vom früheren „Bild“-Chefredakteur/ Gründer der Politikberatung „Storymachine“, der Nehammer auf die Kiew und Moskau Reise vorbereitet haben soll. Denn Österreich hängt an der Rolle des diplomatischen Vermittlerstaates mit einer nostalgischen Ausdauer, die fast Sisi-Ausmaße erreicht. Dass wir schon Jahrzehnte fest in der EU verankert sind und nicht neutral in den Wolken schweben – wen kümmert’s? Nicht umsonst wollte Simon Anholt – zur Erinnerung: Das ist der britische Politikberater und Nation-Branding-Experte, den Reinhold Mitterlehner vor zehn Jahren engagierte -  das „Brückenbauen“ zum Kern der Österreich-Marke machen. Aus dem Projekt wurde zwar dann nichts, aber auf seine Identitäts-Fundamente kann Nehammer bauen. Und er muss dazu nicht einmal „Kreisky“ sagen.

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