Causa Brunnenmarkt

"Ab wann ist man Wiener?" Zadic kritisiert ÖVP-Chef Mahrer

Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
Justizministerin Alma Zadic (Grüne)APA/EVA MANHART
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Der Wiener ÖVP-Chef warnt vor „No-Go-Zonen“ in Wien und stört sich an „Syrern, Afghanen und Arabern“ am Brunnenmarkt. Die Reaktion: Rassismus-Vorwürfe - nun auch seitens der Justizministerin.

Der Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer kommt derzeit nicht aus den Schlagzeilen – Grund dafür sind seine Äußerungen über den Brunnenmarkt in Ottakring. Vielfach wurde ihm deswegen Rassismus unterstellt; ein Vorwurf, gegen den er sich via „Presse“ entschieden zur Wehr setzte. Beruhigt hat sich die Causa damit aber nicht. Im Gegenteil: Nun meldete sich via „Puls 24“ auch Justizminister Alma Zadic (Grüne) zu Wort und richtete dem Stadtpolitiker und ehemaligen Wiener Landespolizeivizepräsidenten aus, Integration nicht verstanden zu haben.

Der Reihe nach: Bei einem Besuch des Brunnenmarktes seien ihm die dortigen Kaufleute aufgefallen – und zwar offenbar nicht sonderlich positiv, sagte Mahrer Ende März in einem Video. „Syrer, Afghanen, Araber haben die Macht über den Brunnenmarkt übernommen“, merkte der 68-Jährige über die Herkunft der Wirtschaftstreibenden an. Die SPÖ ortete darin „Wien-Bashing“ und forderte umgehend eine Entschuldigung bei den Wienerinnen und Wienern. Neos-Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr warf Mahrer Rassismus vor.

Mahrer nahm den Ball auf. „Ich bin kein Rassist“, betont er im Gespräch mit der „Presse“. Die Vorwürfe würden ihn persönlich sehr treffen, erklärte der Wiener ÖVP-Chef und zeigte sich darüber fassungslos, welche Reaktionen auf seine Aussagen folgen: „Von den Linken in dieser Stadt kritisiert und als Rassist beschimpft zu werden, das geht zu weit“, wehrte sich Mahrer.

Mahrer: „Genau dies sind Anfänge von No-Go-Zonen“ 

Abgeschlossen war die Causa damit nicht: Eine knappe Woche später veröffentlichte Mahrer ein weiteres Video über ein von ihm als „Brennpunkt“ in Wien bezeichnetes Grätzl – rund um die Favoritenstraße. Er habe Sorge vor einer „No-Go-Zone“, ließ er darin wissen. „Hinschauen statt wegschauen: Ein weiterer #Brennpunkt in Wien ist das Viertel zwischen Reumannplatz, Favoritenstraße und Viktor-Adler-Markt", schrieb Mahrer dazu auf Twitter.

Und: „Die Empfindungen der Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind geprägt von Unsicherheit und dem Gefühl, zur Minderheit im Viertel zu zählen.“ Mittlerweile würden Menschen ohne Migrationshintergrund dort die Minderheit darstellen. „Sie wurden durch Gewalt, Kriminalität sowie die Abschottung ethnischer Communities abgeschreckt und verdrängt“, schrieb Mahrer. „Genau dies sind Anfänge sogenannter No-Go-Zonen, die es in anderen europäischen Großstädten bereits gibt.“ 

Zadic: „Ich bin in Favoriten aufgewachsen“ 

Abermals hagelte es Kritik an den Worten des Wiener ÖVP-Chefs – und eine neuerliche Möglichkeit, dazu direkt Stellung zu beziehen. So lud „Puls 24“ Mahrer am Mittwochabend ins TV-Studio, um über die Angelegenheit zu debattieren. „Das Ergebnis in Wien ist, dass acht von zehn Kindern heute, wenn sie die Pflichtschule beendet haben, die Bildungsziele nicht erreichen. Und sehr, sehr viel hat damit zu tun, dass die Kinder keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben“, betonte Mahrer dort. Die Balance stimme „einfach nicht mehr“, hielt er an seiner Sicht der Dinge fest.

Ebenfalls geladen war Justizministerin Zadic, die scharfe Kritik an Mahrer übte: Man müsse vor allem bei der Bildungspolitik ansetzen und nicht beim Brunnenmarkt, befand sie. Und holte bis in die Zeit aus, als Sebastian Kurz noch ÖVP-Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (2011 bis 2013, danach Außenminister, ÖVP-Obmann und Bundeskanzler, Anm.): „Wer war denn für die Integration die letzten zehn Jahre verantwortlich? Die ÖVP. Und warum ist da nichts passiert? Warum hat man nicht in Deutschkurse investiert?“ Zadic zufolge müsse man in die Bildung investieren, denn „die Bildung und natürlich auch die deutsche Sprache“ seien der Schlüssel zur Integration.

Zu Mahrers Forderung, wonach die Stadt Wien für einen höheren Österreicher-Anteil für Stände auf Märkten wie dem Brunnenmarkt sorgen solle, sagte Zadic: „Es ist tatsächlich eine lächerliche Forderung. Wo zieht man die Grenze? Ab wann ist man Wiener, ab wann ist man Österreicher? Ich bin in Favoriten aufgewachsen. Ich bin Österreicherin, ich bin Wienerin, ich bin aus Bosnien-Herzegowina nach Österreich gezogen und Wien ist meine Heimat, Favoriten ist meine Heimat.“

Den Menschen am Brunnenmarkt zu sagen, dass sie nicht dazugehören, sei laut Zadic ein „Schlag ins Gesicht“ und „rassistisch“. Die Menschen am Brunnenmarkt seien „Menschen, die etwas für unsere Gesellschaft leisten“ und damit ein Beispiel für gelungene Integration.

>>> Link zur TV-Diskussion auf „Puls 24“ 

(hell)

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