Die Eröffnungsfeiern verliefen nach dem alljährlichen Ritual - allerdings mit einigen aktionistischen Unterbrechungen. Die Salzburger Grünen verteilten ein Heftchen mit einer Rede von Jean Ziegler.
Hier die Touristen in kurzen Hosen, Flip-Flops und Shirts, dort die Festspielbesucher in eleganten Kleidern und dunklen Anzügen, dazwischen Polizisten, die den Verkehr bei der Auffahrt vor dem Festspielhaus regeln und darauf achten, dass die Absperrungen respektiert werden: In der Hofstallgasse trifft die Festspielgesellschaft alljährlich auf das ganz normale Volk. Am Mittwochvormittag feierte das zum Festspielsommer gehörende Ritual des Sehens und Gesehenwerdens Saisoneröffnung.
Und doch war es heuer ein wenig anders als gewohnt – denn während Bundespräsident Heinz Fischer, seine Frau Margit und Landeshauptfrau Gabi Burgstaller mit Festredner Joachim Gauck zu Fuß in den Festspielbezirk gingen, inszenierten die Salzburger Grünen eine aktionistische Intervention: Sie verteilten in der Hofstallgasse ein Heftchen mit einer Rede des Schweizer Soziologen Jean Ziegler. Der Globalisierungskritiker war ursprünglich als Festredner zu Eröffnung der 91. Salzburger Festspiele vorgesehen gewesen, kurzerhand aber wieder ausgeladen worden.
Und tatsächlich, so mancher im Publikum vertrieb sich die Zeit der obligaten Politikeransprachen mit dem Lesen der Ziegler-Rede, in der unter anderem der Welthunger thematisiert wurde. Immerhin, nach der Eröffnung gab es auch noch die gehaltene Rede von Gauck in gedruckter Form.
Aktionistisch setzte sich auch Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden in Szene. Er seilte sich gemeinsam mit einigen Mitgliedern des Alpenvereins über die fast senkrechte Wand des Mönchsbergs ab, um ein Transparent zu enthüllen: „Keine Stromautobahn zwischen Nockstein und Gaisberg“ steht auf dem Plakat, das nun unübersehbar neben dem Festspielhaus prangt. Die Stadt protestiert damit gegen einen möglichen Verlauf der geplanten 380-kV-Leitung im Bereich des Salzburger Hausbergs. Ein paar Minuten später nahm der Stadtchef neben Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler in der ersten Reihe der Felsenreitschule Platz. Er hatte rasch die Kletterausrüstung gegen den schwarzen Anzug getauscht.
Prominente Staatsgäste oder gekrönte Häupter waren bei der Eröffnung nicht zu Gast. Bundeskanzler Werner Faymann hatte seinen deutschen Parteifreund SPD-Chef Sigmar Gabriel mitgenommen. Das konservative Lager wiederum hatte sich am Vorabend im Schloss Leopoldskron zur traditionellen Gala der International Salzburg Association (ISA) getroffen. ISA-Präsident Landeshauptmannstellvertreter Wilfried Haslauer konnte unter anderem Vizekanzler Michael Spindelegger, Karlheinz Essl, Renate Thyssen-Henne und Ernst Theodor Henne, Wilhelm und Mari Holzbauer und den deutschen Verkehrsminister Peter Ramsauer begrüßen. Proteste und Aktionismus blieben dabei aus.
Festrede von Joachim Gauck, Seite 21
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2011)