Prostitution: Die (unsichtbare) Arbeit der Nacht

In 1400 Zimmern ist in Wien die Prostitution genehmigt.
In 1400 Zimmern ist in Wien die Prostitution genehmigt.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Prostitution ist in Wien aufgrund geänderter gesetzlicher Rahmenbedingungen weitgehend unsichtbar geworden. Dass sie weniger geworden ist, heißt das natürlich nicht. Ein Lokalaugenschein.

Viel ist nicht mehr zu sehen. Beziehungsweise man muss schon ein Stück fahren, um etwas zu sehen. Vor 40 Jahren sind in Wien Prostituierte noch auf der Kärntner Straße oder am Graben gestanden, der Spittelberg war auch schon einmal Rotlichtviertel, und noch vor zehn Jahren konnte man sich den Gürtel oder die Felberstraße kaum vorstellen, ohne dass sich dort nachts halb nackte Frauen anböten, so sehr war dieses Milieu im Stadtbild verankert.

Nun braucht es von der Innenstadt rund eine halbe Stunde Fahrtzeit, bis man den Straßenstrich erreicht. Südliche Stadtgrenze, Brunner Straße, hier ist Prostitution auf der Straße erlaubt. Wer nachts billigen Sex kaufen will, lenkt sein Auto in diese triste Straße. Manche der jungen Frauen tanzen lasziv auf dem Gehsteig, winken, werfen Haare über Schultern. Meistens stehen sie zu zweit. Zur Sicherheit: Steigt eine in ein Auto, notiert die zweite das Autokennzeichen, sagt Christian Knappik.

Er ist einer jener dunklen Schatten hinter den Scheiben der Autos, die Nacht für Nacht gezielt zum Strich fahren. Christian Knappik betreibt das Sexworker.at-Forum und den zugehörigen Verein, und als solcher arbeitet er, sagt er, als eine Art ehrenamtlicher Lobbyist für Wiens Sexarbeiterinnen.

Er berät Frauen und auch Betreiber der Etablissements, greift bei Problemen ein, und vor allem sitzt er jede Nacht im Auto, raucht, fährt zu Bordellen, Studios, zu den Laufhäusern oder Tantra-Lokalen. Er stellt den Frauen Websites bereit, organisiert ihnen Fotografen (damit sie nicht an Ausbeuter geraten, sagt er), und er kommt, wenn es Probleme mit Freiern gibt. Wenn einer nicht zahlen will – oder es zu Gewalt kommt.

Aus dem Stadtbild verbannt. Den abgelegenen Straßenstrich sieht er da als Problem – je trister, verlassener die Gegend, desto unsicherer für die Frauen, die mit Fremden in Autos steigen müssen. Früher, als die Frauen vor Stundenhotels in der Felberstraße etwa stehen konnten, sei das aus Sicht der Prostituierten sicherer gewesen. Aber im Stadtbild hat man das nicht mehr gern, und so passt auch Wiens zweiter Straßenstrich ins Konzept. Ebenfalls eine halbe Stunde Fahrt vom Zentrum, nun Richtung Norden, die Einzingergasse in Floridsdorf, ein ebenso tristes Stück Stadt wie die Brunner Straße im Süden.

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