Die russischen Aktienmärkte sind eingebrochen, Indexanbieter werfen russische Titel hinaus, viele Anleger bleiben auf ihren Beständen vorerst sitzen.
Westliche Unternehmen ziehen sich zunehmend aus Russland zurück. Zu groß ist die Angst vor Reputationsschäden. Einen Tag, nachdem der britische Ölkonzern BP angekündigt hatte, seine Beteiligung am russischen Rosneft-Konzern abstoßen zu wollen, tat nun auch Konkurrent Shell kund, seine Gemeinschaftsunternehmen mit dem russischen Konzern Gazprom und zugehörigen Firmen aufgeben zu wollen. Dazu gehöre auch die Beteiligung an Nord Stream 2.
Indes haben die US-Börsen NYSE und Nasdaq den Handel mit mehreren russischen Aktien nach der jüngsten Sanktionsrunde im Ukraine-Konflikt gestoppt. Die Websites der Börsen verwiesen zunächst lediglich allgemein auf regulatorische Hintergründe. Von der Nasdaq hieß es, dass Konsequenzen der Sanktionen für die betroffenen Firmen geprüft würden. Die NYSE wollte sich auf Nachfrage nicht äußern. Bisher handelt es sich lediglich um eine vorübergehende Aussetzung vom Handel, nicht um einen Ausschluss. Auch die Deutsche Börse hat den Handel mit russischen Aktien bzw. Derivaten ausgesetzt.
US-Börsen stoppen Handel
Russische Papiere lassen sich fast nirgendwo mehr handeln. An der Londoner Börse war am Dienstag noch ein Handel möglich, obwohl er vereinzelt immer wieder ausgesetzt wurde. Die Moskauer Börse ist für ausländische Investoren gesperrt.
Doch drohen russischen Firmen weitere Probleme. So erwägt der US-Finanzdienstleister MSCI, russische Wertpapiere aus seinen Aktienindizes zu streichen. Es sei fraglich, ob es noch möglich sei, in Russland zu investieren, sagte MSCI-Manager Dimitris Melas dem Finanzdienst Bloomberg. Voraussetzung sei ein offener und funktionierender Markt. „Momentan sieht das Bild trüb aus“, so Melas. Der russische Aktienmarkt sei „uninvestierbar“. „Es würde für uns nicht viel Sinn ergeben, russische Wertpapiere weiterhin aufzunehmen, wenn unsere Kunden und Investoren keine Transaktionen auf dem Markt durchführen können“, fügte er hinzu.
Nun wolle man mit den Anlegern über die nächsten Schritte beraten. Das Ergebnis soll innerhalb weniger Tage bekannt gegeben werden. Der natürliche nächste Schritt sei die Streichung des Index MSCI Russia oder der Wegfall russischer Wertpapiere aus den Indizes. Russland hat eine Gewichtung von 3,24 Prozent im Schwellenländer-Index von MSCI und eine von 30 Basispunkten in der globalen Benchmark des Indexanbieters. Auf Russland spezialisierte Aktienfonds sind laut Bloomberg-Daten auf Wochensicht im Durchschnitt um 23 Prozent gefallen.
Anleihen brachen angesichts der gestiegenen Ausfallrisken ein, und der Handel mit dem Rubel ist zu einem Vabanquespiel geworden, da sich immer mehr Broker aus dem Devisenhandel zurückziehen. „Die Tragödie des russischen Krieges in der Ukraine hat internationalen Finanzinvestitionen in Russland ein Ende gesetzt“, sagte Christopher Granville, Managing Director für EMEA und Global Political Research bei TS Lombard in London.
Fonds eingefroren
Noch zu Jahresanfang profitierte die russische Wirtschaft von steigenden Ölpreisen, Aktien erreichten Rekordhöhen, der Rubel war ein beliebtes Ziel für Carry-Trades. Davon ist nichts übrig. Fondsmanager befürchten jahrelangen Schaden als Folge der Sanktionen.
Nach Angaben der Moskauer Börse hielten ausländische Investoren Ende letzten Jahres russische Aktien im Wert von rund 86 Milliarden Dollar. Die meisten sind nun nicht in der Lage, ihre Bestände zu liquidieren, nachdem Moskau Brokern den Verkauf von Wertpapieren ausländischer Investoren verboten hat. Bloomberg Intelligence schätzt, dass fast 13 Mrd. Dollar europäischer und US-Fonds in Aktien sanktionierter Unternehmen feststecken.
Bei den festverzinslichen Wertpapieren sind BlackRock, Capital Group Companies und Legal & General die wichtigsten Inhaber von russischen Dollar-Bonds. Insgesamt stecken laut Bloomberg-Daten rund 250 Mrd. Dollar in Unternehmensanleihen.
Der VanEck Russia ETF, einer der größten passiven Fonds mit Russland-Engagement, und der iShares MSCI Russia Capped ETF brachen am Montag um fast 30 Prozent ein. JP Morgan und Danske Bank haben Fonds mit Engagement in russischen Aktien eingefroren. Russlands Aktienmärkte blieben am Dienstag geschlossen. Ob der Handel am Mittwoch fortgesetzt wird, ist offen.
(Bloomberg/ag./red.)