Die Bestände sind während des Ukraine-Kriegs weiter gesunken. Zum Schutz von kritischer Infrastruktur will die Nato eine neue Koordinierungszelle einrichten.
Angesichts schwindender Munitionsbestände in den Depots der Nato-Staaten ist die Allianz in Brüssel alarmiert. Erwartet wird nach Angaben aus diplomatischen Kreisen vom Montag, dass das Thema beim Treffen der Verteidigungsminister der Bündnisstaaten am Dienstag und Mittwoch erörtert werden wird. Allein Deutschland weise gemessen an den Nato-Vorgaben eine Lücke im Volumen von 20 Milliarden Euro auf, wie es in Sicherheitskreisen heißt.
"Sollte Europa gegen Russland kämpfen müssen, würden einige Länder binnen Tagen ihre Munition verbraucht haben", sagte ein europäischer Diplomat der Nachrichtenagentur Reuters. Deshalb habe die Allianz aktuell eine Bestandsaufnahme vornehmen lassen, sagte ein Nato-Vertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte. Es gebe für alle Mitgliedstaaten individuelle Ziele bei der Munitionsbeschaffung, die bereits vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine größtenteils nicht erfüllt worden seien. Während des Krieges seien die Bestände nun weiter gesunken. Erwartet werde daher, dass die Allianz die Zielmarken jetzt erhöhen wolle.
„Ein verlorenes Jahr"
"Es war ein verlorenes Jahr", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Direkt mit der Entscheidung der deutschen Bundesregierung, der Ukraine etwa den Flugabwehrpanzer Gepard oder die Panzerhaubitze 2000 aus dem Bestand der Bundeswehr zu liefern, hätte man sofort nachbestellen müssen. Vom Verteidigungsministerium in Berlin gab es zunächst keine Stellungnahme.
Nach Schätzungen verfeuern die ukrainischen Streitkräfte täglich bis zu 10.000 Schuss. Wie viel Munition noch in den Depots der Nato-Staaten liegt, ist streng geheim. Nach Angaben von Nato-Vertretern sind die größten Ausfälle etwa beim Gepard, aber auch dem Luftabwehrsystem Patriot festzustellen, die von den ukrainischen Streitkräften umfangreich eingesetzt werden.
Bedrohungen gegen Pipelines
Die Nato richtet außerdem nach den mutmaßlichen Sabotageakten gegen die Erdgasleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 eine Koordinierungszelle für den besseren Schutz kritischer Infrastruktur ein. Es gehe darum, mögliche Schwachstellen zu kartieren und die Zusammenarbeit mit der Industrie zu stärken, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag in Brüssel.
Dies werde zu den Bemühungen beitragen, Bedrohungen gegen kritische Infrastrukturen zu verhindern und zu bekämpfen. Dazu gehörten zum Beispiel Pipelines und Unterseekabel.
Nach früheren Angaben haben die Alliierten die Schutzmaßnahmen von besonders wichtigen Einrichtungen und den Austausch von Geheimdienstinformationen bereits in den vergangenen Monaten verstärkt. In der Nord- und Ostsee wurde so die maritime Präsenz der Nato nach den mutmaßlichen Sabotageakten verdoppelt. Weitere Maßnahmen sollen beim nächsten Gipfeltreffen im Juli in Litauen beschlossen werden.
An den beiden Röhren von Nord Stream 1 und einer Röhre von Nord Stream 2 in der Ostsee waren nach Explosionen Ende September schwere Beschädigungen und mehrere Unterwasser-Lecks entdeckt worden. Bisherigen Erkenntnissen zufolge hatten sich mindestens zwei Detonationen ereignet, die zu vier Lecks führten. Die Lecks in den Pipelines, die von Russland nach Deutschland führen, befinden sich in der Nähe der Ostsee-Insel Bornholm teils in dänischen, teils in schwedischen Gewässern. Tagelang traten enorme Gasmengen aus. Unter anderem die EU, die Nato sowie Sicherheitskreise hatten schon unmittelbar darauf von Sabotage als Ursache für die Explosionen gesprochen. Bisher ist unklar, wer dafür verantwortlich ist.
(APA/Reuters)