Gegen Sebastian Kurz wird neben dem Verdacht der Falschaussage nun auch wegen Korruption ermittelt. Sebastian Kurz macht Platz für Alexander Schallenberg. Für den Koalitionspartner ausreichend, nachdem die Grünen Sebastian Kurz als nicht mehr „amtsfähig“ bezeichneten. Die Opposition befürchtet Kurz als „Schattenkanzler“. Reicht die Rochade für die Fortsetzung der Koalition? Diskutieren Sie mit!
„Wenn Kurz das politisch überlebt – und man fragt sich, wie das gehen soll –, dann hat sich auf jeden Fall der 'neue Stil' der Volkspartei überlebt": schrieb „Presse"-Innenpolitikchef Oliver Pink am Mittwoch nach den Hausdurchsuchungen im Kanzleramt, in der ÖVP-Zentrale und in der Tageszeitung „Österreich“. In einem Leitartikel nannte er die jetzt bekannt gewordenen Korruptionsermittlungen „Das Ibiza der ÖVP in 'Österreich'.
Seitdem ist viel geschehen. Der Bundeskanzler Sebastian Kurz versuchte am selben Abend bei Martin Thür in der „ZiB 2“ sich zu positionieren: Er verstehe nicht, warum er schuld sein solle und er werde „selbstverständlich“ Kanzler bleiben. Einmal mehr betonte er dabei die im Land geltende Unschuldsvermutung. Doch dabei handle es sich um „keine politische Kategorie“, wie der stellvertretende Chefredakteur Florian Asamer im Leitartikel vom Samstag festhält: „Diese Grenze als Maßstab für politische Verantwortlichkeit einzuziehen, nivelliert den Anspruch an höchste Funktionsträger auf das absolute Minimum des gesellschaftlich Tolerierbaren hinunter“.
Der Druck auf Sebastian Kurz wurde binnen weniger Stunden zunehmend größer: Vom Koalitionspartner bis hin zu den ÖVP-Landeschefs. „Von einer der Grundideen hinter Türkis, der Entmachtung der allmächtigen Landeshauptleute, ist nicht viel übrig“, schrieb Oliver Pink im Leitartikel „Das Imperium schlägt imperial zurück“.Am Samstag folgte denn der Schritt, den er zuvor kategorisch ausschloss: Kurz trat zurück, bezeichnete es selbst als "Schritt zur Seite“. Er machte Platz für Alexander Schallenberg, eine „diplomatische Notlösung“ für das Land, wie Chefredakteur Rainer Nowak befindet.
Dass es damit ruhiger werden könnte in der heimischen Politik, bezweifelt „Presse-Kolumnistin“ und Innenpolitikjournalistin Anneliese Rohrer, im Podcast mit Anna Wallner: „Man weiß nicht, was noch alles auftaucht und die Lösung (mit Schallenberg, Anm.d.Red.) ist verkrampft. „Außerdem werde er die Punze, dass er eigentlich nur eine Marionette ist“, nicht loswerden - wohl auch aus eigenem Verschulden.“
Und was passiert indes mit Sebastian Kurz? „Ihm droht ein Schicksal wie Grasser“, schreibt dazu Peter Pelinka in einem Gastkommentar.
Wie es zu den Hausdurchsuchungen kam? Gegen den Kanzler wird neben Falschaussage auch wegen Korruptionsdelikten ermittelt. Auch gegen sein enges Umfeld gibt es schwerwiegende Vorwürfe. Die These der Ermittler: Freundliche Meinungsumfragen sollten Kurz bei seiner Machtübernahme helfen. Diese soll das Finanzministerium über Scheinrechnungen mit Steuergeld bezahlt haben. Erschienen sollen sie in der Tageszeitung „Österreich“ sein - im Gegenzug soll es Inserate gegeben haben. Auch Ex-Ministerin Sophie Karmasin soll verwickelt sein. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Die Vorwürfe fassen Anna Thalhammer und Iris Bonavida zusammen.
Generell wird gegen die ÖVP und ihr nahestehende Personen eifrig ermittelt. Eine Übersicht ohne Anspruch auf Vollständigkeit hat Hellin Jankowski erstellt.
Eine rechtliche Einschätzung der Lage liefert unterdessen Philipp Aichinger. Er erklärt: Wer indirekt mitmischt, ist genauso strafbar.
Eine Chronologie der Ereignisse, die zu den Hausdurchsuchen führten, besprechen Eva Winroither und Anna Thalhammer im Podcast „Presse Play“. Und Norbert Rief geht mit Anna Wallner der Frage nach, wer Thomas Schmid ist, der Mann, der mit seinen Chat-Nachrichten das aktuelle Chaos ausgelöst hat.
Podcast zum Thema
Was steckt hinter den Hausdurchsuchungen, wem wird was vorgeworfen und wie geht es nun weiter? Hier hören Sie mehr:
>>> Der Kanzler in Bedrängnis: Kampagne oder berechtiger Vorwurf?
(bagre)
Diskutieren Sie mit: Was sagen Sie zu den aktuellen Vorwürfen gegen den Kanzler und die Volkspartei? Wie werden sich die Ermittlungen auswirken? Überlebt Sebastian Kurz das politisch? Und: Was wird aus der türkis-grünen Koalition?