Energiekrise

Edtstadler: Klares Nein zu Preisdeckel für Russland-Gas

Archivbild von Karoline Edtstadler bei einem EU-Rat in Brüssel Mitte September.
Archivbild von Karoline Edtstadler bei einem EU-Rat in Brüssel Mitte September.APA/AFP/JOHN THYS
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Österreich fürchtet im Falle eins Preisdeckels für Importe aus Russland um die Versorgungssicherheit. Man würde „schlicht und ergreifend kein Gas mehr aus Russland bekommen“, befürchtet EU-Ministerin Edtstadler.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat sich angesichts der erwarteten EU-Vorschläge für ein "klares Nein" zur Preisdeckelung russischer Gasimporte ausgesprochen. "Wir sind gegen eine generelle Obergrenze eines Gaspreises bei Importen aus Russland. Warum? Weil es um unsere Versorgungssicherheit geht", sagte Edtstadler am Dienstag vor einem EU-Ministerrat in Luxemburg.

Damit verbunden sei die Sorge, "dass wir schlicht und ergreifend kein Gas mehr aus Russland bekommen würden", sagte Edtstadler weiter. "Das können wir uns nicht leisten." Österreich habe seine Abhängigkeit von russischem Gas bereits von 80 auf 50 Prozent reduziert. Ein genereller Stopp wäre aber "fatal".

Edtstadler erwartet von der EU-Kommission konkrete Lösungsvorschläge für einen gemeinsamen Gaseinkauf der EU-Staaten. Dies sei "keine einfache Sache", man müsse auch mit den betroffenen Unternehmen sprechen. Sie glaube aber, dass es die Vorschläge der EU-Kommission operativ möglich machen werden, gemeinsam Gas einzukaufen.

"Die nationale Einführung von Modellen im Bereich Energie funktioniert nicht", sagte Edtstadler. Österreich habe bereits viele und teure Maßnahmen getroffen, um die Bevölkerung zu entlasten. Jetzt müssten europäische Lösungen gefunden werden. Das sogenannte "iberische Modell" sei als Ansatz zu verfolgen, um den Gas- vom Strompreis zu trennen.

Neuer Preisindex für Flüssiggas geplant

Die Europäische Kommission stellt am Dienstagnachmittag Regeln für gemeinsame Gaseinkäufe der EU vor. Das Vorhaben ist Teil eines neuen Pakets im Kampf gegen die hohen Energiepreise. Durch ihre geballte Marktmacht will die EU niedrigere Preise aushandeln. Laut einem Entwurf sollen Gasunternehmen ihre Nachfrage für mindestens 15 Prozent der vorgeschriebenen Speicherkapazität bündeln. Über diese Menge würde dann zentral mit Gaslieferanten verhandelt.

Teil der Vorschläge ist auch ein neuer Preisindex für Flüssiggas (LNG) als Alternative zu dem Gaspreisindex des Handelsplatzes TTF. Viele Kaufverträge in der EU orientieren sich am TTF, der stark schwankt. Die EU-Kommission will dem Entwurf zufolge auch eine Tür für einen möglichen Gaspreisdeckel offen halten: Während an der TTF-Reform gearbeitet wird, könnte als letztes Mittel im Fall extremer Preise vorübergehend ein beweglicher Preisdeckel am TTF eingesetzt werden.

Der Vorschlag muss noch von den EU-Staaten verhandelt werden und könnte im November angenommen werden. Die Frage eines Preisdeckels für Gas dürfte auch Thema beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende der Woche werden.

EU-Abgeordnete drängen auf gemeinsamen Gaseinkauf

Europaabgeordnete drängen auf eine rasche Umsetzung des gemeinsamen Gaseinkaufs der EU-Staaten. "Ein gemeinsamer Gaseinkauf ist sinnvoll", sagte ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig am Dienstag in Straßburg. "Den gemeinsamen Einkauf hätte man schon vor Monaten gebraucht", so SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder.

Schieder gab zu bedenken, dass die EU-Staaten auch einen gemeinsamen Aufteilungsschlüssel finden müssten. Er plädierte für weitere regulierende Markt- und Preiseingriffe, etwa auf dem Strommarkt. Das Argument, dass dann Russland nichts mehr liefere, gelte so nicht. Russlands Präsident Wladimir Putin setze Gas als Druckmittel ein und werde so oder so Gaslieferungen drosseln wollen, warnte Schieder.

Winzig zeigte sich bezüglich anderer erwarteter Vorschläge der EU-Kommission eher skeptisch. So sei fraglich, ob ein angeblich neuer Preisindex auch eine preissenkende Wirkung habe. Die EU-Kommission wolle offenbar auch einen Notfallmechanismus für die Gasversorgung der EU-Staaten vorschlagen. Dieser müsste vorher vertraglich abgesichert werden, sagte die ÖVP-Delegationsleiterin.

Nach Ansicht der Neos-Europaabgeordneten Claudia Gamon ist die gemeinsame Gasbeschaffung durch die EU "der wesentliche Punkt". Alleingänge würden die Preise nach oben treiben, sagte sie. Man stehe bei den EU-Bemühungen aber erst am Anfang. Zu den Sorgen aus Österreich vor einem Stopp russischer Gaslieferungen sagte Gamon: "In Brüssel rechnet niemand damit, dass es nächstes Jahr russisches Gas geben wird."

Österreich und andere mittel- und osteuropäische Staaten bräuchten russisches Gas, um über den Winter zu kommen, sagte der grüne Europaabgeordnete Thomas Waitz. Die Bereitschaft für einen Totalstopp sei nicht groß. Ein zu starker Markteingriff könne außerdem die Inflation weiter anheizen. Waitz betonte aber, dass die europäischen Bemühungen zur Befüllung der Gasspeicher bisher erfolgreich gewesen seien.

Gegen einen Gaspreisdeckel sprach sich der FPÖ-Europaabgeordnete Georg Mayer aus. Dieser hätte den Effekt, dass andere Staaten das verfügbare Gas kaufen würden und dadurch die Preise noch mehr in die Höhe getrieben würden. "Wir lehnen einen Gaspreisdeckel ab, weil er ein Bumerang ist, und auch nicht in die Kompetenz der Europäischen Kommission fällt."

(APA/dpa)

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