Die deutsche Außenministerin zeigt sich offen für eine Lieferung von Leopard-Panzern aus Drittstaaten. Laut Verteidigungsminister Boris Pistorius fällt die Entscheidung "im Kanzleramt". Dass dort so lange gezögert wird, bezeichnen die Koalitionspartner als schweren außenpolitischen Schaden.
„Inakzeptabel“ sei die zögerliche Haltung Deutschlands bei der Frage um eine mögliche Lieferung von deutschen Kampfpanzern an die Ukraine. Harsche Kritik kommt einmal mehr vom deutschen Nachbarn Polen. Das sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der polnischen Nachrichtenagentur PAP.
Falls die deutsche Regierung dabei bleibe, den Kampfpanzer Leopard 2 nicht an die Ukraine zu liefern, werde Polen „eine kleine Koalition“ von Ländern zustande bringen, welche die Ukraine mit „moderner Ausrüstung“ und „modernen Panzern“ aus ihren eigenen Beständen versorgten, kündigte der polnische Regierungschef an.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen zeigte sich daraufhin am Sonntagabend in einem Interview mit dem französischen Sender LCI offen für eine Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine durch Polen. "Wenn man uns fragt, würden wir dem nicht im Weg stehen", sagte sagte sie in Bezug auf die sogenannten Endverbleibskontrollen. Sie betonte zugleich: "Wir wurden bisher nicht gefragt."
Polen hatte bereits vor dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe am Freitag im deutschen Ramstein erklärt, dass es Leopard-Panzer aus eigenen Beständen an die Ukraine abgeben wolle. Da die Panzer jedoch aus deutscher Produktion stammen, müsste Berlin dafür seine Zustimmung erteilen. Die Ukraine will aber schon jetzt mit der Ausbildung von Soldaten an den Leopard-Panzern in Polen beginnen.
Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte, die Entscheidung hänge "von vielen Faktoren ab" und werde "im Kanzleramt getroffen". Jeder verstehe, in welcher Not die Ukraine aktuell sei. Deswegen werde es "auch bald eine Entscheidung geben, wie immer sie aussieht".
Überzogene Vorwürfe gegen Scholz
Kritik am deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) hagelt es nach der Ramstein-Konferenz, die ohne Entscheidung zu Ende ging, auch von den Koalitionspartnern: Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hatte die Kommunikation insbesondere von Scholz in der Frage von Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine als „Katastrophe“ bezeichnet, denn einerseits unterstütze Deutschland die Ukraine massiv, durch die ausbleibende Entscheidung bei den Kampfpanzern entstehe aber ein anderer Eindruck. Scholz bleibe Erklärungen dafür schuldig. Sie sprach auch von einer „verfehlten Außenpolitik“, die das Ansehen Deutschlands beschädige.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wertet Vorwürfe gegen Scholz als überzogen. „Maßlose Kritik und persönliche Anfeindungen drohen den politischen Diskurs über unsere Ukraine-Hilfen immer weiter von den Tatsachen abgleiten zu lassen“, sagt er in einem Interview mit der „Rheinischen Post“. Und weiter: „Unsere Unterstützung wird dann am größten sein können, wenn wir die Balance zwischen beiden Perspektiven wahren und persönliche Animositäten hintanstellen“, erklärt er mit Blick auf die Kritik an Scholz auch aus der Ampel-Koalition.
Balten drängen Berlin
Am Freitag hatten die westlichen Verbündeten der Ukraine umfangreiche Waffenlieferungen beschlossen. Allerdings konnte nicht geklärt werden, ob und welche Länder Kampfpanzer liefern. Kanzler Olaf Scholz will, dass sich auch die USA an einem solchen Schritt beteiligten. Diese haben es bisher abgelehnt, ihre Abrams-Kampfpanzer an die Ukraine abzugeben. Damit wächst der Druck auf Deutschland, den Weg für Leopard-Lieferungen freizumachen.
Die baltischen Staaten sowie Großbritannien fordern Deutschland auf, der Ukraine jetzt Leopard-Panzer zur Verfügung zu stellen. Der estnische Außenminister Urmas Reinsalu sagte über Twitter, das sei notwendig, um den Frieden in Europa schnell wiederherzustellen. Deutschland als führende europäische Macht habe in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung.
(zoe/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2023)