Kontaktpersonen

Verschärfte Quarantäne-Regeln wegen Omikron: Vierzehn Tage wirklich notwendig?

Wie ein sicheres Weihnachtsfest schaffen, wenn sich eine neue Corona-Virusvariante im Land auszubreiten droht? Experten empfehlen die dritte Impfung und weitere Schutzmaßnahmen.
Wie ein sicheres Weihnachtsfest schaffen, wenn sich eine neue Corona-Virusvariante im Land auszubreiten droht? Experten empfehlen die dritte Impfung und weitere Schutzmaßnahmen.(c) REUTERS (LISI NIESNER)
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Kontaktpersonen müssen für 14 Tage in Quarantäne, egal, ob sie geimpft oder genesen sind. Laut Stadtrat Hacker seien die Verschärfungen notwendig, gelten aber nur vorübergehend. Gerry Foitik gehen sie nicht weit genug. Die Ärztekammer wiederum fordert Lockerungen für Dreifachgeimpfte.

Angesichts der neuen und offenbar ansteckenderen Virus-Variante Omikron gelten in Österreich strengere Quarantäneregeln. Bei Kontakt mit einem Omikron- bzw. Omikron-Verdachtsfall gilt man derzeit als K1-Person, unabhängig davon, ob man geimpft oder genesen ist, und muss für 14 Tage in Quarantäne. Ein „Freitesten“ ist demnach auch nicht mehr möglich.

Ist diese Regel gerechtfertigt? Die Ärztekammer spricht sich für Erleichterungen für Dreifachgeimpfte aus. Schließlich seien sie „gut geschützt“: Die Schutzwirkung der Booster-Impfung sei zwar nicht „ganz so groß“ wie bei der Delta-Variante, betrage aber immer noch „sehr gute 75 Prozent“. Der Schutz gegen schwere Krankheitsverläufe dürfte noch größer sein.

Sich den dritten Stich zu holen, müsse sich auszahlen. Deswegen sollen dreifach geimpfte Menschen „entweder von vornherein als K2-Kontaktpersonen gelten oder wenigstens die Möglichkeit bekommen, sich nach fünf Tagen freizutesten“, wird Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres zitiert. Sonst würde man den Menschen ein großes Stück an Motivation nehmen.

„Diese Form von Quarantäne" in maximal vier Wochen vorbei

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hatte die verschärften Regeln am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal" verteidigt. Sie seien „am Beginn einer solchen Phase“ nötig, um die Infektionen gering zu halten. Dies werde sich klarerweise ändern. „Ich rechne damit, dass das Ende Dezember, spätestens Mitte Jänner stattfinden wird“, laut internationaler Vergleiche also „in zwei, drei, maximal vier Wochen". Dann habe diese Form von Quarantäne „keinen Sinn mehr“.

Auch Katharina Reich, Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit, bezeichnete die verschärfte Regelung am Vortag in einer Pressekonferenz als „Akutmaßnahme“. Wie bei jeder neuen Variante würde man, solange man nicht genug über sie wisse, auch angesichts der Omikron-Variante zunächst die Quarantäneregeln verschärfen: „Quasi Schotten runter, in die Quarantäne und versuchen, die Variante so lange wie möglich draußen zu halten“, führte sie am Dienstag aus. Falls es zum „Verdrängungsmechanismus“ zwischen Omikron und Delta komme, könnten demnach wieder Anpassungen der Kontaktpersonen- und Quarantäneregeln vorgenommen werden, sagte auch Reich.

Gerry Foitik mit „Omikron-To-Do-Liste

Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, forderte unterdessen weitreichende Maßnahmen. Zuvor von den Neos als "Erklär-Bär“ in einem "echten" Pandemie-Krisenstab vorgeschlagen, der dafür sorgen könnte, dass die "Parteipolitik aus der Krisenkommunikation rausgenommen wird“, legte er am Dienstag auf Twitter eine „ad-hoc-to-do-Liste“ vor. Zugleich warnte er: Selbst im Best-Case-Szenario seien die Herausforderungen „gewaltig“: „alleine, wenn zu viele Menschen gleichzeitig nicht arbeiten können, weil sie infiziert zuhause bleiben müssen.“ Dies könnte 30 Prozent der Arbeitnehmer betreffen.

In seiner Liste forderte Foitik etwa ("endlich") eine Maskenpflicht in Innenräumen, verbesserte Lüftungskonzepte in Schulen, einen Wert, der einen Lockdown automatisch auslöse, oder, dass 2-G-plus "so weit wie möglich" umgesetzt werde. Dabei müssten auch Geimpfte und Genesene ein negatives Testergebnis vorzeigen, um Zutritt zu bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens zu bekommen.

Im Ö1-"Mittagsjournal“ präzisierte Foitik am Mittwoch: 30 Prozent der Arbeitnehmer würden nicht ausfallen, weil sie durch die Neuregelung als Kontaktpersonen in Quarantäne müssten, sondern weil sie sich mit Corona infiziert hätten. „Dann kann natürlich passieren, dass zu viele Personen gleichzeitig für den Arbeitsprozess und die Gesellschaft nicht zur Verfügung stehen.“ Dafür müssten sich Betreiber von kritischen Infrastrukturunternehmen vorbereiten. Auch Foitik verteidigte die neuen Quarantäneregeln. Er sprach von einer "zusätzlichen Sicherheitsmaßnahme", die deshalb geboten sei, weil wir uns in einer „Phase der großen Unsicherheit" befinden, in der noch viele Fragen offen seien. Am Anfang der Entwicklung hätte man die besten Chancen, diese noch aufzuhalten bzw. zu verlangsamen. „Später dann“, meinte er wie Gesundheitsstadtrat Hacker, „wird das nicht mehr aufrechtzuerhalten und damit nicht mehr notwendig sein."

Ein ausgearbeitetes Präventionsprogramm und „schnellere Maßnahmen“ vor dem Hintergrund der Omikron-Variante hatte zuvor auch der ehemalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gefordert. Außerdem: Mehr Tempo beim Boostern. Im ORF-"Report" sprach er von einem "Wettlauf gegen die Zeit“ und von deutlich höheren Infektionszahlen, die für Jänner befürchtet würden. Anschober schlug ebenfalls eine erweiterte FFP2-Pflicht für Innenräume vor, 2-G-plus für möglichst viele Bereiche oder ein verbessertes Contact-Tracing in den Bundesländern.

Stillstand des öffentlichen Lebens?

Stadtrat Hacker zeigte sich am Dienstagmorgen deutlich gelassener. Ob es bald zu einem Stillstand des öffentlichen Lebens kommen werde, wenn immer mehr Personen und - aufgrund der schärferen Regeln auch an Schulen - ganze Klassen in Quarantäne müssen, wurde er gefragt. „Nein“, versuchte er zu kalmieren, „da müssen wir die Kirche im Dorf lassen.“ Schließlich gebe es in Wien derzeit 48 Omikron-Fälle von rund 10.000 insgesamt Erkrankten, vier oder fünf davon seien wieder genesen. „Das betrifft also nur die fast 50 Fälle und ihre Familien.“

In weiterer Folge beträfe dies bestimmt auch Schulen und Schulklassen, „aber auch hier haben wir gerade 50 Schulklassen in Quarantäne, das ist eine überschaubare Größe angesichts von 11.000 Schulklassen in Wien.“

Mit dritter Impfung „Abwehrsystem fit machen"

Für Jänner rechnet Peter Hacker damit, dass man „auf jeden Fall“ konkrete Informationen dazu haben werde, ob der Krankheitsverlauf bei Omikron schwerer wäre. Mit Sicherheit sagen könne man aber, „dass die dritte Impfung das Abwehrsystem so stark macht“, dass eine schwere Erkrankung ausgeschlossen sei.

„Das ist der naturgemäße Auftrag des Virus, immer stärker zu werden, als wir uns dagegen wehren können“, so Hacker. In diesem „Match“ würden wir uns jetzt schon seit zwei Jahren befinden, da sei es keine Überraschung, dass das Virus immer wieder versuche, sich zu verändern, „um uns auszutricksen.“ Mit der Impfung habe man „ein tolles Instrument", um sich dagegen zu wehren.

Und wie könne man eine sichere Weihnachtszeit garantieren? Sie sei laut Hacker „immer ein bissl ein Dilemma“, schließlich sei es die Zeit, in der man seine Familie und Nahestehende sehen will. „Das ist gut so, das muss auch so sein“, so der Gesundheitsstadtrat; aber wichtig sei, „dass wir begleitende Schutzmaßnahmen zur Verfügung stehen haben.“ Wien mache das mit dem PCR-Test-System schon über ein Jahr und für die gesamte Bevölkerung. „Diese Kombination, Schutzimpfung und PCR-Testung“, resümiert Hacker, gebe ein hohes Maß an Sicherheit, „um in Frieden und Fröhlichkeit Weihnachten zu feiern“.

Ob dies wirklich „in Fröhlichkeit“ gefeiert werden kann oder ob die Maßnahmen für die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel verschärft werden, darauf ging Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat nicht näher ein. Man würde die Entwicklung genau beobachten und Omikron „sehr ernst“ nehmen. Die neue Virus-Variante werde „mühsam“, räumte der Kanzler ein, mit dem dritten Stich habe man aber „die Antwort der Wissenschaft“ darauf, appellierte auch er für die Auffrischungsimpfung.

(bsch)

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