Nachbarschaftshilfe

"Österreich rückt zusammen": Wie Ukrainern geholfen wird

Symbolbild: Flüchtling mit ukrainischem Pass.
Symbolbild: Flüchtling mit ukrainischem Pass.(c) imago/Antonio Balasco
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4500 Österreicher haben bisher 20.000 Schlafplätze für Flüchtlinge bereitgestellt. Der Bund will mit koordinierten Hilfsgüter-Transporten und einer Hotline unterstützen.

Mehr als 1,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind derzeit auf der Flucht. Tendenz steigend. Treffen die Schätzungen der Vereinten Nationen zu, dürfte die Zahl der Flüchtenden auf rund vier Millionen anwachsen. Das UNHCR spricht schon jetzt von der „größten Flüchtlingsbewegung innerhalb Europas seit dem Zweiten Weltkrieg“. Entgegen schlage dieser eine „unglaubliche Welle der Hilfsbereitschaft, die Mut macht“, wie Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Montag im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger, Caritas-Präsident Michael Landau, Rotes Kreuz-Generalsekretär Michael Opriesnig und Diakonie-Direktorin Maria-Katharina Moser sagte. „Man spürt, Österreich rückt solidarisch zusammen“, meinte Karner.

Die meisten der ukrainischen Flüchtlinge harren seit Beginn der russischen Angriffe im benachbarten Polen aus, 45.000 haben mittlerweile die Grenzen nach Österreich überschritten – wovon gut 75 Prozent weiterreisen wollten, so Karner. Ihnen, wie auch all jenen, die bleiben wollen, versuche die Republik auf drei Ebenen zu helfen: Erstens durch das Bereitstellen von privaten und staatlichen Quartieren, zweitens durch „schnelle und unbürokratische Hilfe“ und drittens durch die „bestmögliche Koordination von Hilfslieferungen.

4500 Österreicher schaffen 20.000 Schlafplätze

Seit Beginn der russischen Invasion hätten sich 4500 Österreicherinnen und Österreicher gemeldet und private Quartiere angeboten, sagte Karner – extra dafür eingerichtet wurde die E-Mail-Adresse nachbarschaftsquartier@bbu.gv.at. „Allein durch Private haben wir 20.000 Plätze für Flüchtlinge“, betonte der Innenminister und nannte als Beispiel eine Frau im 14. Wiener Gemeindebezirk, die eine Mutter mit ihren drei Kindern bei sich aufgenommen habe. Dazu kämen Quartiere des Bundes und der Bundesländer, in denen derzeit etwa 500 Personen untergebracht sind. „Ich danke den Ländern, den Gemeinden und den Zivil- sowie Blaulichtorganisationen für die exzellente Zusammenarbeit", betonte Karner.

Um „rasch und unbürokratisch" zu helfen, habe die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) zudem eine Hotline für Menschen aus der Ukraine eingerichtet. Unter der Telefonnummer +43 1 2676 870 9460 stünden insgesamt 18 Mitarbeiter des Innenministeriums im Schichtbetrieb rund um die Uhr bereit. Bisher seien knapp 5000 Anrufe von Ankommenden eingegangen. Manche wollten wissen, wo sie eine Unterkunft finden, anderen, wie sie am besten in das nächste Land weiterreisen könnten, skizzierte der Minister.

Karner: „Wir ersuchen um Geldspenden“

Punkt drei der österreichischen Nachbarschaftshilfe betreffe den Transport von Hilfsgütern in die Ukraine, der vom Innenministerium koordiniert wurde. Bisher wurden zwei Transporte durchgeführt: Der erste umfasste vier Lastkraftwägen, beladen mit medizinischen Gütern für Operationen, und führte nach Lviv. Geliefert wurden unter anderem 50.000 Liter Handdesinfektionsmittel, 50.000 Stück Schutzbrillen sowie 50.000 Stück Schutzmasken. Der zweite Transport schaffte etwa 7000 Stück Verbandsmaterial und etwa 50.000 Stück Wundauflagen in die Ukraine. Ein dritter und vierter Transport mit 1500 Hygienepaketen sowie 10.000 Schutzhelmen soll demnächst aufbrechen.

„Wir raten aufgrund der aktuellen Sicherheitslage dringend von privaten Transporten in die Ukraine ab“, warnte Karner. Wer helfen möchte, sei gut beraten, das über das Ministerium zu tun. Und: „Wir ersuchen um Geldspenden“, da mit diesen „zielgenauer geholfen“ werden könne, denn mit Sachspenden.

„Es wartet eine Herkulesaufgabe auf uns alle“ 

„Wir werden einen langen Atem brauchen: Es ist kein Sprint, es ist ein Marathon, der sich nur partnerschaftlich bewältigen lässt“, ergänzte Caritas-Präsident Landau. Und mahnte: „Der Krieg darf nicht das letzte Wort haben.“ Denn: Er ist „eine Niederlage für die Menschlichkeit“. Diakonie-Direktorin Moser setzte ebenfalls auf Ausdauer: „Unsere Aufgabe ist es, jene, die ein Wohnangebot haben mit jenen zu matchen, die eine Unterkunft brauchen.“ Denn: Es werde lange dauern, bis wieder so etwas wie Normalität geschaffen sei. 

„Österreich erweist sich nicht nur als reich, sondern als Öster-solidar", meinte Fenninger von der Volkshilfe und dankte für die enorme Hilfsbereitschaft „vom Boden- zum Neusiedlersee“.  Der Generalsekretär des Roten Kreuzes, Opriesnig, räumte abschließend ein: „Es ist schwer, allein die Bilder vor Ort auszuhalten.“ Besonders schwer aber hätten es jene, die nicht flüchten könnten, weil sie krank oder behindert seien: „Es wartet eine Herkulesaufgabe auf uns alle.“ 

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